Die Rache Der Wanderhure
Zeit als Euer Lehensmann mehr bewirken kann denn als Inquisitor.«
Dann aber brach seine Leidenschaft aus ihm hervor, und er funkelte Sigismund mit dem ihm verbliebenen Auge an. »Ich glaube, es ist nicht genug, nur das Faule und Kranke in der Menschheit auszumerzen. Wir müssen auch neuen, guten Samen setzen. Samen, der in reinen Menschen aufgeht, Menschen, die bereit sind, die wahre Lehre der heiligen Mutter Kirche in die Welt hinauszutragen, und die mit ihrem Samen wiederum Zeugnis ablegen für die Gemeinschaft im Herrn und in der Jungfrau Maria!«
Ruppertus’ Stimme hieb geradezu auf den König ein.
»Und Ihr glaubt, dieser neue, reine Mensch entspringt Eurem Samen und dem Leib dieser Frau?«, fragte Sigismund, um Zeit zum Nachdenken zu gewinnen.
»Unsere Nachkommen werden in ihrem Blut die Tugenden beider vereinen, die Überlegenheit eines geschulten Geistes und die Strenge und die Kraft des Glaubens mit dem unbändigen Willen des Lebens, der Stärke des Fleisches und den natürlichen Instinkten eines Weibes!«
Ruppertus redete sich in Ekstase, denn er sah seine Bestimmung ganz deutlich vor sich. Er würde diesen unwürdigen König stürzen und durch Falko von Hettenheim ersetzen, um von diesem in einen hohen Adelsrang erhoben zu werden. Vielleicht würde er sogar zu einem der Kurfürsten des Reiches werden. Sobald dies geschehen war, konnte er noch höher greifen und seinem Sohn oder Enkel die Kaiserkrone verschaffen.
Einen Augenblick lang dachte er daran, was die Fürsten und Grafen sagen würden, wenn ein Kaiser sie beherrschte, der von einer ehemaligen Hure geboren worden war. Dann aber zuckte er mit den Achseln. Nicht wenige dieser gekrönten Häupter stammten von Frauen ab, die im Grunde nichts Besseres gewesen waren.
Da Sigismund beharrlich schwieg, klopfte Ruppertus mit der rechten Hand auf den Tisch. Der große Ring an seinem Mittelfinger verursachte dabei ein so lautes Geräusch, dass der König zusammenzuckte.
Bevor Sigismund seinen Unmut äußern konnte, setzte Ruppertus seine Rede fort. »Gemäß den Gesetzen des Reiches, die einzuhalten und zu verteidigen Ihr geschworen habt, fordere ich, Janus Suppertur, hiermit offiziell die Hand und das Lehen der Witwe von Hohenstein. Und nun Gott befohlen!« Mit diesem Gruß wandte Ruppertus sich ab und verließ den Raum.
Kaum hatte sich die Tür hinter dem Inquisitor geschlossen, trat Isabelle de Melancourt hinter der Säule hervor. »Wie kann dieser Mann es wagen, eine solche Forderung zu stellen!«, rief sie empört.
»Suppertur ist verrückt! Anders kann ich es mir nicht erklären. Schließlich ist er der Inquisitor des Papstes mit all der Macht, die ihm dieses Amt verleiht. Zwar stellt Hohenstein ein hübsches Lehen dar – falls ich es der Witwe verleihe! –, doch dafür gibt kein vernünftiger Mensch eine solche Macht auf.«
»Verrückt ist er gewiss, aber auch gefährlich«, wandte Isabelle nachdenklich ein. »Auf jeden Fall entspricht dieser Auftritt nicht dem Bild, das ich mir bisher von Janus Suppertur gemacht habe.«
»Der Kerl will die Witwe auf Hohenstein freien, um mit ihr Dutzende kleiner Jani Supperturi zu zeugen, die schon in der Sandgrube kleine Scheiterhaufen aufschichten und statt Kinderliedern gregorianische Gesänge leiern. Welch eine entsetzliche Vorstellung!«
Während Sigismund sich theatralisch schüttelte, gingen Isabelles Überlegungen in eine andere Richtung. »Wenn der Inquisitor des Papstes solche Ideen durchsetzt, sind die Reiter der Apokalypse wirklich nicht mehr fern. Allein der Gedanke an eine solche Selektion durch Zucht ist widerwärtig.«
Mittlerweile hatte Sigismund sich wieder gefasst und lachte freudlos auf. »Wenn ich es genau betrachte, kopiert er damit nur das Verhalten aller Königshäuser. Auch wir achten strikt darauf, aus wessen Schoß unser Erbe schlüpft!«
»Dies ist etwas ganz anderes«, wies Isabelle ihn zurecht. »Euresgleichen nimmt die Tochter eines Königs zum Weib, weil sie eben dessen Tochter ist, und nicht, weil sie irgendwelche Instinkte besitzt, die Ihr mit Eurem überragenden Verstand in einem auserwählten Sohn vereinen wollt. Außerdem ist es nicht das Blut, sondern die Haltung, die einen König ausmacht – oder den Kaiser!«
»Womit wir wieder bei Martin V. und seiner Weigerung wären, mich zum Kaiser zu krönen. Vielleicht sollte ich Janus Suppertur wirklich die Witwe auf Hohenstein geben und ihn mir damit verpflichten. Er hat Einfluss in Rom und könnte dort in meinem
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