Die Rache Der Wanderhure
noch rechtzeitig versteckte sie sich in dem großen Busch und betete, dass man sie nicht fand. Sie lauschte angestrengt, doch die Männer sagten nichts von Belang, sondern beklagten nur, dass der schwarze Mönch sie kreuz und quer durch diese Ödnis hetzte.
»Ich sage dir, wenn hinterher nicht eine saftige Belohnung herausspringt, sollte der Kerl mir besser nicht bei Nacht an einem einsamen Ort begegnen«, erklärte einer direkt vor dem Busch, in dem Marie steckte. Er bückte sich nach einem Ast und blickte dabei so in ihre Richtung, dass sie sich bereits entdeckt glaubte.
Doch er hob nur das Holzstück auf, meinte dann zu seinem Kumpan, dass es wohl reichen müsse, und kehrte zur Lichtung zurück.
Kurz darauf brannte dort ein munteres Feuer, und die Männer begannen, Fleisch auf Spieße zu stecken und über den Flammen zu braten. Da der Wind Marie den Duft des brutzelnden Fleisches direkt in die Nase wehte, zog sie sich so vorsichtig wie möglich tiefer in den Wald zurück. Sonst, dachte sie in bitterem Spott, würde ihr knurrender Magen sie verraten.
Als sie annahm, sich weit genug von ihren Verfolgern entfernt zu haben, suchte sie sich ein neues Versteck und rollte sich zwischen überwucherten Steinblöcken auf einem Moospolster zusammen. Noch während sie überlegte, weshalb der schwarze Mönch sie verfolgte, fielen ihr die Augen zu, und sie schlief ein.
Nach einiger Zeit schreckte sie hoch und stellte fest, dass es tiefe Nacht war. Nicht weit von sich entfernt bemerkte sie zwei glühende Augen in der Dunkelheit und begriff, dass das hungrige Heulen eines Wolfes sie geweckt hatte. Erschrocken langte sie zu dem Essmesser, das an ihrem Gürtel hing. Doch die Klinge war gerade mal daumenlang und stellte alles andere als eine erfolgversprechende Waffe gegen einen Wolf dar.
Da ertönten von der Lichtung her Stimmen. Gleich darauf drang jemand mit einer vorgehaltenen Fackel in den Wald ein und kam direkt auf ihr Versteck zu. Bevor der Mann sie erreichte, tauchte neben ihr ein Schatten auf, und sie sah spitze Zähne im Fackellicht aufleuchten. Marie presste sich die Hände auf den Mund, um nicht vor Angst zu schreien. Für Augenblicke schien die Welt stehenzubleiben, und es gab nur den Mann mit der Fackel, den Wolf und sie.
Eine schier endlose Zeit war die Spannung unerträglich, dann schoss der Wolf mit einem wütenden Knurren davon. Der Soldat hob seine Fackel und sah das Tier zwischen den Büschen verschwinden. Enttäuscht wandte er sich ab und kehrte zu seinen Kameraden zurück.
»Das war nur ein verdammter Wolf! Wir sollten während der Nacht doppelte Wachen aufstellen, denn wo eine von diesen Bestien ist, können auch mehr sein.«
Dies war auch Maries Sorge. Erst jetzt begriff sie, dass sie nicht nur den verrückten Mönch und seine Männer fürchten musste, sondern auch die Raubtiere des Waldes. Tränen traten ihr in die Augen. Das Leben war so ungerecht. Sie hatte schon vor vielen Jahren einen hohen Preis für ihr Überleben bezahlt, und wie es aussah, würde es diesmal noch schlimmer kommen.
Nach diesem Zwischenfall blieb Marie lange wach. Irgendwann aber erwies sich ihre Erschöpfung stärker als ihre Angst, und sie dämmerte weg. Geweckt wurde sie von den rauhen Stimmen der Männer, die sich zum Aufbruch fertig machten. Wenig später vernahm sie den Hufschlag der Pferde und dankte Gott, dass sie während der Nacht weder von Wölfen gefressen noch von ihren Verfolgern entdeckt worden war.
Trotzdem wartete sie noch eine Weile und wagte erst, als alles ruhig blieb, die Lichtung zu betreten. Die Soldaten hatten ihr Lagerfeuer nur nachlässig gelöscht, und die Reste waren wieder aufgeflammt. Mehr als von der Glut wurden Maries Blicke von einem Knochen angezogen, der auf einem Stein neben dem Feuer lag. Da noch einiges an Fleisch daran hing, hob sie ihn auf und begann ihn hungrig abzunagen.
Ein Geräusch ließ sie herumfahren. Aus dem Wald tauchte ein magerer Wolf auf und kam auf sie zu. Erschrocken zog Marie ihr Messer, um sich zu verteidigen. Das Tier blieb jedoch mehrere Schritte von ihr entfernt stehen und starrte auf den Knochen in ihrer Hand. Marie begriff, dass der Wolf ebenfalls Hunger hatte, es aber nicht wagte, sie anzugreifen. Er musste alt sein und war wahrscheinlich von seinem Rudel ausgebissen worden. Damit war er so etwas wie ein Leidensgenosse, sagte sie sich. Außerdem hatte das Tier ihr in der Nacht die Verfolger vom Hals gehalten. Mit diesem Gedanken zog Marie den letzten
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