Die Rache Der Wanderhure
Dabei musste ihm der Herr der Hölle selbst geholfen haben. Ebenso sehr wie sein Körper hatte auch sein Verstand gelitten, das fühlte sie deutlich. Skrupellos war er schon früher gewesen, doch jetzt schien er keine Grenzen mehr zu kennen.
»Der Herr hat mich gezeichnet und geläutert und mir meine Bestimmung gezeigt, nämlich dich, Marie«, fuhr Ruppertus voller Inbrunst fort.
Marie schüttelte heftig den Kopf. »Es war nicht Gott, der dich gerettet hat, sondern der Teufel! Er hat dich mit seinem Höllenfeuer gezeichnet und zum Werkzeug seiner üblen Taten gemacht!«
»Verzeih, dass ich dich erschreckt habe!« Mit einer Geste, als wolle er um Entschuldigung bitten, setzte Ruppertus die Maske wieder auf und lächelte glückselig.
»Du wirst mich lieben lernen, Marie, und ich werde dir dafür das Reich, ja, die ganze Welt zu Füßen legen. All das werde ich tun, um dich zu besitzen. Du bist meine Bestimmung!«
Der letzte Satz klang wie ein Befehl an sie, jeden Widerstand aufzugeben und sich in ihr Schicksal zu fügen. Er trat auf Marie zu, umfasste ihren Kopf mit den Händen und zog sie an sich. Sein Mund glitt über ihre Schultern und ihren Hals und hinterließ eine so kalte Spur auf ihrer Haut, dass sie sich vor Ekel wand.
Sie wollte ihn von sich wegschieben, doch da packte er ihre Arme und drängte sie so heftig gegen den Wagen, dass sich dessen Bretter schmerzhaft in ihren Rücken bohrten.
»Du bist mein! Gemeinsam werden wir der Welt die Erlösung bringen.«
Ruppertus versuchte Marie zu küssen, doch sie drehte den Kopf weg und biss die Zähne zusammen. Gegen die Kraft des Verrückten hatte sie keine Chance, das wusste sie. Daher ließ sie alles ohne Regung über sich ergehen, als wäre sie nur eine Puppe ohne eigenes Leben.
Überrascht, weil er keinerlei Reaktion von ihr erhielt, ließ Ruppertus Marie los und starrte auf ihre Handgelenke, die sich durch seinen harten Griff rot verfärbt hatten. Ein Teil seiner selbst drängte ihn dazu, sie dafür um Verzeihung zu bitten, doch er schob diesen Gedanken sofort wieder von sich. Gott hatte sie für ihn bestimmt, und es war in seinem Sinn, wenn er Marie so lange bestrafte, bis sie sich ihrer Bestimmung unterwarf.
Weit davon entfernt, sich Ruppertus’ Willen zu beugen, blickte Marie ihn voller Verachtung an. »Ich kann dich nicht daran hindern, mir Gewalt anzutun, aber du wirst mich niemals besitzen. Ich verachte dich und habe dich schon immer verabscheut. Glaubst du, ich hätte vergessen, dass mein Vater auf dein Betreiben hin umgebracht wurde? Auch spüre ich immer noch den Schmerz der Rutenhiebe auf meinem Rücken, zu denen ich durch deine Intrige verurteilt worden bin! Vor allem aber habe ich die Zeit nicht vergessen, die ich mit gelben Bändern am Kleid durch das Land ziehen und meinen Leib jedem geilen Kerl anbieten musste, der bereit war, ein paar Pfennige dafür zu zahlen.
Damals habe ich deinetwegen viel ertragen müssen. Aber selbst der stinkende Atem eines Bierkutschers, die schmutzige Hand eines Schweinebauern oder die grobe Wollust eines verschwitzten Fußsoldaten sind nichts gegen den Ekel, den ich empfinde, wenn dein kleiner Finger mein Haar berührt!«
Maries Worte trafen Ruppertus wie ein Schlag, und sein Zorn wuchs, bis er innerlich zu verbrennen glaubte. Alles, was er sich seit jenen Tagen in Konstanz erhofft hatte, schien sich in Rauch aufzulösen. Eine Stimme in ihm sagte, dass er das Zeichen Gottes falsch verstanden haben müsse. Es konnte nicht Marie sein, mit der er den neuen Herrn der Welt zeugen sollte. In dem Moment wurde das, was er in seinem Wahn Liebe genannt hatte, zu brennendem Hass, und er bog die Lippen zu einem verächtlichen Lächeln.
»Dann erinnere dich noch einmal an jene Augenblicke, in denen du unter Bierkutschern, Schweinebauern und Soldatenrüpeln gelegen bist – und daran, dass ich es war, der dir dazu verholfen hat! Du hättest an meiner Seite zu Höhen aufsteigen können, die kein anderes Weib je erreichen kann, doch du trittst meine Liebe in den Schmutz und bist daher dieser Ehren nicht würdig! Doch wenn ich dich nicht besitzen kann, so wird dich auch kein anderer mehr bekommen!«
Ruppertus zog seinen Dolch und richtete ihn auf Maries Gesicht. Bevor er sie tötete, wollte er ihre Schönheit zerstören, damit ihr Antlitz ihn nicht länger bis in seine Träume verfolgte. Er zögerte, weil er auf ihre Angst wartete und auf ihr Flehen, sie zu verschonen. Doch sie stand mit stolzer Miene vor ihm und wartete
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