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Die Rache Der Wanderhure

Die Rache Der Wanderhure

Titel: Die Rache Der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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ließ, sang Marie weiter und behielt dabei ihre Zuhörer im Auge. Noch gab es keine Anzeichen, einer könne sich betroffen fühlen, doch die entscheidenden Strophen ihres Liedes kamen noch.
     
    »Sie lieben Weiber, Wein, Gesang,
    dazu der Laute sanften Klang.
    Sie gehen stolz im edlen Kleide,
    in Brokat, in Samt und in Seide.
     
    Sie hauen, stechen im Turnier,
    blicken grimmig durchs Visier,
    öffnen hier und da ein Mieder,
    machen daraus Heldenlieder.«
     
    Nun empfand Hettenheim den Gesang doch zu sehr gegen die Ehre der Ritterschaft gerichtet und wollte die freche Sängerin zum Schweigen bringen.
    Doch Ruppertus hob befehlend die Hand. »Bleibt!«
    Hettenheim drehte sich um und sah zu seiner Verwunderung eine Träne aus dem gesunden Auge des Inquisitors perlen. Ein paar Augenblicke lang lauschte der schwarze Mönch noch dem Lied, dann stand er auf und winkte Hettenheim und den anderen, ihm zu folgen.
    »Die Sängerin darf nicht entkommen!«, flüsterte er mit heiserer Stimme. »Aber es darf ihr auch kein Haar gekrümmt werden!«
    Da Hettenheim nicht begriff, dass die Sängerin die gesuchte Frau war, verwirrte ihn die Anweisung. Doch gewohnt, Janus Supperturs Befehle zu befolgen, rief er seine Männer zu sich und riegelte den Platz ab, auf dem Marie noch immer sang.
     
    »Doch kaum ist Krieg, beginnt das Zittern,
    das Heulen und Jammern bei den Rittern.
    Das ist nicht Spiel, Turnier noch Witz,
    das Schwert ist scharf, der Pfeil ist spitz.
    Und sieht er die Hussitenlanz’,
    zieht mancher Ritter ein den Schwanz!«
     
    Maries Verse wurden derber, und sie sah, wie die Herren von Stand das Gesicht verzogen, während die einfachen Soldaten ihr johlend applaudierten. Nun wollte sie ihren schärfsten Pfeil verschießen und betete, dass diejenigen, die Michel hatten umbringen wollen, sich selbst verraten würden.
     
    »Erst neulich drunt’ im Egermoor,
    ein Hauptmann nicht den Kopf verlor,
    weil drei von Euren Königsrecken,
    es nicht gelang, ihn hinzustrecken.
    Zwei hohe Herren und ein dritter,
    turniererprobte Königsritter,
    es ist wirklich zu beklagen,
    konnten diesen Mann nicht schlagen.
    Der sprang schließlich in den Fluss,
    lachend, wie man hören muss.
    Schwamm einfach fort in dieser Lache
    und sinnt bis heute wohl auf Rache.«
     
    Als Hettenheim das hörte, wurde er bleich. »Sie weiß es! Aber woher?«, raunte er Ruppertus zu.
    Dieser wies ihn mit einer geradezu vergnügt wirkenden Geste an, den Mund zu halten. Bislang hatte er von Michel Adlers Ende nur durch Hettenheim und dessen Kumpane gehört. Maries Lied erzählte jedoch eine andere Geschichte, und er war begierig darauf, sie ganz zu hören.
    Unterdessen sang Marie hasserfüllt weiter.
     
    »Bleibt für die Ritter nur zu hoffen,
    dass er wirklich abgesoffen,
    denn kommt dieser Kämpe wieder,
    schlägt er zehn von ihnen nieder.
    Ja, Majestät, es ist recht bitter,
    verweichlicht sind sie, Eure Ritter.
    Drum, Sigismund, bleibt gut beraten,
    vertraut auf Eure Fußsoldaten!«
     
    Die letzten Verse sangen die einfachen Soldaten aus voller Kehle mit, und so mancher dachte dabei an seine Anführer, die in schimmernder Rüstung einhergingen, aber durchaus dem Bild entsprachen, das die Sängerin eben gezeichnet hatte.
    Als das Lied endete, jubelten die Soldaten frenetisch, umringten die Frau und warfen ihr kleine Münzen zu.
    Im Gegensatz zu ihnen glühte Hettenheim vor Wut. »Los, Männer, greift sie euch!«, rief er seinen Leuten zu.
    Doch er wurde erneut von Ruppertus zurückgehalten. »Nein! Überwacht sie und sorgt dafür, dass ich nicht gestört werde, wenn ich sie gestellt habe.«
    Dann ging er auf die Soldaten zu, die Marie umgaben, ohne weiter auf Hettenheim und dessen Leute zu achten. Als er den dichtesten Pulk der Zuhörer erreichte, kam er kaum voran, denn die Männer machten ihm nur widerwillig Platz.
    Während Ruppertus Marie nicht aus den Augen ließ und Hettenheim vor Wut die Fäuste ballte, als wolle er jemand niederschlagen, redeten Loosen und Haidhausen leise, aber erregt aufeinander ein. Für sie war das Lied ein Schlag ins Gesicht gewesen, erinnerte es sie doch an den Kampf mit Michel Adler und die wenig heldenhafte Figur, die sie dabei abgegeben hatten.
    Sie hätten die freche Sängerin am liebsten gepackt und an einen abgelegenen Ort verschleppt, um dort von ihr zu erfahren, von wem sie diese Geschichte gehört hatte. Wenn auf diese Weise bekannt wurde, auf welche Weise der Recke Hohenstein ums Leben gekommen war, würden sie als

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