Die Rache Der Wanderhure
scheinbar völlig gelassen auf den tödlichen Stoß. Aber sie hatte sich noch nicht aufgegeben, das fühlte er. Sie würde um ihr Leben kämpfen, auch wenn sie nicht glaubte, ihm entkommen zu können.
Kochend vor Wut, setzte er ihr den Dolch an die Wange und ließ die Spitze langsam bis zum Hals wandern, ohne ihre Haut zu ritzen. Die pochende Ader an ihrem Hals zog seinen Blick auf sich. Wenn er dort schnitt, würde sie ihm in kürzester Zeit tot zu Füßen liegen und sein Sieg über sie vollkommen sein.
Nein, nicht vollkommen, durchfuhr es ihn. Er würde sie niemals vergessen können und es sich immer zum Vorwurf machen, dass er sie nicht kraft seines Geistes unterworfen und zu seiner Gefährtin gemacht hatte. Der Gedanke entsetzte ihn. Gott konnte doch nicht geirrt haben, als er ihm diese Frau als Mutter seiner Kinder versprochen hatte! Sein Stolz zwang ihn, mit der Klinge auszuholen und auf ihr Herz zu zielen. Doch als er zustoßen wollte, versagte ihm der Arm den Dienst.
Ruppertus begriff, dass er sie in jenem Augenblick hätte töten müssen, in dem er den Entschluss dazu gefasst hatte. Nun war es zu spät. Er hatte einfach nicht mehr die Kraft, sie umzubringen, zumindest nicht mit eigener Hand. Doch er konnte etwas anderes tun, nämlich ihr Schicksal in die Hände Gottes legen. Wenn der Herr im Himmel ihr half und sie errettete, war sie wahrlich die Auserwählte, die der Menschheit den neuen Erlöser schenken sollte, seinen Sohn!
Zitternd vor Erregung, ließ er den Dolch fallen und trat von ihr zurück.
»Hettenheim!«, rief er und sah diesen zusammen mit Loosen und Haidhausen näher kommen.
»Sie will zu ihrem Mann! Also schickt sie zu ihm und werft ihren Leichnam den Schweinen zum Fraß vor.«
Nun musste es sich entscheiden. Gelang es den Männern, seinen Befehl auszuführen, hatte Gott Marie verworfen und würde ihm eine andere, eine reinere Braut schenken, durch die ein neuer Heiland die Erde betrat, der das Schlechte mit eiserner Hand ausmerzen und das Gute schirmen und schützen würde. Mit dieser Überzeugung kehrte er Marie und den Rittern den Rücken zu und ging zu Adalbert von Sachsens Zelt hinüber. Sigismunds Feldherr, so sagte er sich, sollte es noch bereuen, ihn nicht mit der Ehrfurcht empfangen zu haben, die ihm als Auserwähltem des Herrn gebührte.
Hettenheim konnte den Zorn über die Art, mit der Janus Suppertur ihn behandelte, kaum mehr verbergen. Daher drehte er dem Inquisitor den Rücken zu und starrte die schöne Frau an, die wie eine wachsame Katze wirkte. Sie schien zu glauben, ihrem Schicksal doch noch entgehen zu können. Für einen Augenblick überlegte er, sie in den nahen Wald zu schleppen, ihr dort Gewalt anzutun und darüber sein eigenes plumpes Weib zu Hause zu vergessen. Dann aber erinnerte er sich an den Priester und dessen Stallmeister, die Marie ebenfalls hatten vergewaltigen wollen, und an die Strafe, die Janus Suppertur über die beiden verhängt hatte. Er hielt den Inquisitor für verrückt genug, genauso zu handeln, wenn sich auch nur einer von ihnen an der Frau verging. Daher wandte er sich mit einer wegwerfenden Geste an seine Begleiter.
»Michel von Hohenstein war Euch über, und ich musste vollbringen, was Ihr nicht geschafft habt. Doch sein Weibsstück werdet Ihr wohl noch ohne meine Hilfe zur Hölle schicken können!« Mit diesen Worten ging auch er und übersah dabei das Aufblitzen in Maries Augen.
Endlich hat sich der Schleier gehoben, durchfuhr es sie. Gleichzeitig verspürte sie die Bitterkeit ihrer Niederlage. Gegen zwei bewaffnete Ritter hatte sie keine Chance. Ihr blieb nur, die Männer zu verfluchen, die ihren Mann verraten hatten. Ob es den beiden gelungen war, Michel zu töten, würde sie nun nie mehr erfahren. Wenigstens würde sie mit dem Wissen vor Gottes Thron treten können, dass Loosen, Haidhausen und Hettenheim Michels Mörder waren und sie höchstwahrscheinlich auf Ruppertus’ Gebot gehandelt hatten.
Loosen schickte Hettenheim einen verwunderten Blick nach, denn er hatte nicht erwartet, dass dieser ihnen die Frau überlassen würde. Dann aber wandte er sich Marie zu und packte sie bei den Haaren. Gleichzeitig drehte Haidhausen ihr die Arme auf den Rücken und stieß sie quer durchs Lager. Die beiden Ritter waren sich ihrer Überlegenheit über das schwache Weib so sicher, dass sie nicht darauf achteten, dass Maries Körper sich spannte wie eine weit ausgezogene Bogensehne und sie auf die erste Möglichkeit zur Flucht lauerte.
Zu
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