Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rache des Bombenlegers

Die Rache des Bombenlegers

Titel: Die Rache des Bombenlegers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
Vom Netzwerk:
Güterbahnhof
wirkte selbst bei Sonnenschein grau. Schmale Straßen — aus einer Zeit, da an
Benzinkutschen noch nicht zu denken war — krümmten sich in jede erdenkliche
Richtung. Einige Straßen hatte man für Autos gesperrt — wegen Platzmangels.
Andere waren als Einbahnstraßen beschildert. Häßliche Backsteinhäuser, von
ihren Besitzern dem Verfall überlassen, lehnten aneinander. Aber das stützte
nicht viel, und ein Trost war es auch nicht.
    Nr. 17 — ein schmalbrüstiges Gebäude
mit schmutzigem Hof nebenan — enthielt acht Räume. Ein gewissenloser Vermieter
hatte — bis zum vergangenen November — 54 türkische Gastarbeiter darin
untergebracht: zusammengepfercht in menschenunwürdiger Weise. Als das Sozialamt
ihm auf die Schliche kam, war es von heute auf morgen aus mit dieser
Geschäftemacherei. Beinahe hätte die Bude leerstehen müssen. Doch dann fanden
sich neue Mieter: drei ehrenwerte Herren.
    Sie zahlten einen saftigen Mietpreis
und schienen im Schichtdienst zu arbeiten — oder unregelmäßig. Jedenfalls sah
man diesen oder jenen zu ungewöhnlichen Zeiten. Freilich nahm keiner der
Nachbarn — überwiegend Gastarbeiter — daran Anstoß. Sie hatten ihre eigenen
Probleme.
    An ihrer Umgebung hatten die drei
nichts auszusetzen. Sie waren Schlimmeres gewöhnt — in verschiedenen
Gefängnissen.
    Jetzt, am frühen Nachmittag, lenkte
Siggi John den rostigen Mustang in die Hofeinfahrt.
    Siggi war wütend, sein hübsches Gesicht
immer noch zornrot. Er hatte blondes Haar, das er morgens und abends
schamponierte (waschen mit flüssigem Mittel), trug am liebsten
lavendelfarbene Seidenhemden und pfiff den Mädchen nach. Er war 26.
    Fischauge saß neben ihm. Er hieß Franz
Katzdobler und sagte gerade zum vierten oder fünften Mal: „Unglaublich, wie
dämlich du bist. Parkst direkt vor der Kneipe. Was nun, wenn sich jemand an
mich erinnert — und gesehen hat, daß ich in den Wagen stieg. Heh?“
    „Hat aber keiner!“ fauchte Siggi.
    „Das sagst du.“
    „Alles hat zur Garage geglotzt.“
    Der Mustang war auf den Hof gerollt.
Sie stiegen aus. Katzdobler trug eine Aktentasche.
    Siggi schloß das mannshohe Holztor.
Durch den Hintereingang traten sie ins Haus.
    An der Garderobe im Erdgeschoß hing ein
brauner Nappaledermantel.
    „Ah, Klaus ist zurück“, sagte
Katzdobler.
    Klaus Heye war der Chef der
Mittagsräuber. Er hatte die geringsten Skrupel (Gewissenszweifel) und
die meisten Vorstrafen. Erst Anfang des Jahres war er — wiedermal — aus dem
Gefängnis entlassen worden.
    Er saß im Wohnraum, hatte ein großes
Schnapsglas in der Hand und eine teure Zigarre im Mundwinkel. Neben ihm stand
ein kleiner Koffer.

    Heye kam von einer viertägigen Reise
zurück. Er hatte drei ehemalige Freundinnen besucht, die aber alle die Nase
voll von ihm hatten. Ein totaler Fehlschlag! Diese Weiber! Nur wegen zwei
Jahren Knast. Keine Liebe mehr unter den Menschen, dachte er ärgerlich. Aber
meinen Typen — so nannte er Katzdobler und Siggi — werde ich was anderes
erzählen.
    Er grinste breit.
    „Hallo, Chef!“ Katzdobler warf die
Tasche auf den Tisch. „Zurück?“
    „Nee“, knurrte Heye. „Was du hier
siehst, ist nur mein Geist.“
    „Hahahah.“ Fischauge ließ sein spitzes
Kinn auf den Rollkragen sinken. Und lachte, als hätte er den besten Witz aller
Zeiten gehört.
    „Alles in Ordnung mit den Miezen?“
    „Klar. Die fressen mir aus der Hand.“
    Er lügt, dachte Katzdobler. Das sehe
ich ihm an. Möchte erleben, daß der mal ‘ne Niederlage zugibt — egal, was es
ist.
    „Tag, Chef!“ Siggi hatte erst seinen
Trenchcoat an die Garderobe gehängt und kam jetzt herein. Er roch stark nach
Rasierwasser. Sein lila Hemd hatte einen modernen Kragen.
    Heye nickte ihm zu, nahm die Zigarre
aus dem Mund und betrachtete die Aschekrone. Er war ein grobschlächtiger Kerl
von 39 Jahren, hatte blaue Bartschatten, ziemlich langes schwarzblaues Haar und
kleine Narben um die Augen: Spuren aus seiner Zeit als Berufsboxer. Er war
nicht besonders gut gewesen, hatte meistens verloren.
    Mit der Zigarre deutete er auf die
Aktentasche.
    „Beute?“
    Katzdobler nickte. „Habe einer Alten
die Bude leergeräumt. Und Siggi“, fügte er gehässig hinzu, „hat direkt vor dem
Haus geparkt.“
    „Was völlig in Ordnung war“, schnappte
der Blonde. „Keinem Aas sind wir aufgefallen.“
    Heye schob die dichten Brauen zusammen.
Ein strafender Blick traf Siggi. Dann mußte Fischauge die Beute vorführen: 32
Goldmünzen, fünf

Weitere Kostenlose Bücher