Die Rache des Griechen
Gefühl der Langeweile war definitiv verschwunden. Seit langer Zeit war es das erste Mal, dass er sich auf die Zukunft freute.
„Gut?“
Kallie reagierte mit äußerster Wachsamkeit auf Alexandros’ Frage. Sie lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und legte Gabel und Messer auf den leeren Teller vor sich.
„Es ist schon erstaunlich“, bemerkte sie. „Ganz gleich, wie gestresst ich bin, mein Appetit hat nie darunter gelitten. Aber daran wirst du dich ja sicher auch erinnern.“
Alexandros ließ seinen Blick über ihren Körper wandern, zumindest über den Teil, den er sehen konnte.
Ihr wurde ganz warm unter seinen Blicken. Warum nur hatte sie seine Aufmerksamkeit auf sich ziehen müssen? Ihr fiel seine hässliche Bemerkung ein, dass sie eine Schönheitsoperation gehabt haben musste. Dann hob er glücklicherweise den Kopf und sah ihr in die Augen.
„Du scheinst immer noch ein wenig unsicher zu sein. Vielleicht warst du damals ein bisschen pausbäckig, aber welcher Teenager war das nicht?“
Pausbäckig …?
Ein Gefühl der Erniedrigung breitete sich in ihr aus, wenn sie an jenen Abend zurückdachte und daran, wie leidenschaftlich sie gewesen war. Wie ihr Körper nach seinem gebrannt hatte. Wie ihre eigenen Emotionen sie überwältigt hatten. Und wie sie sich für einen Augenblick vorgestellt hatte, er würde dasselbe für sie empfinden. Natürlich war das nicht der Fall gewesen. Er hatte nicht lange gebraucht, um zur Vernunft zu kommen. Am liebsten hätte sie jetzt die Augen geschlossen, damit sie ihn nicht mehr anzusehen brauchte.
„Alexandros, ist es denn nicht an der Zeit, mir zu sagen, warum …?“
Er ignorierte ihre Bitte und fiel ihr ins Wort. „Nein, ist es nicht.“
Sein harscher Tonfall ließ sie zusammenzucken, was er zu bemerken schien. Sie sah, wie angespannt seine Gesichtszüge waren, als versuche er, irgendetwas zu kontrollieren.
„Warum hast du diesem Käseblatt von unseren Gesprächen erzählt? Hat es dir nicht gereicht, das Foto weiterzugeben?“
Kallie errötete bis in die Haarspitzen. Herausfinden zu müssen, wie sehr ihr eigenes Vertrauen missbraucht worden war, hatte sie zutiefst verletzt. Aber würde er verstehen, wie es war, ein Teenager zu sein, der gerade seine erste Liebe erlebte? Wie sie sich einfach jemandem anvertrauen musste, von dem sie glaubte, er würde Stillschweigen bewahren? Natürlich nicht. Der Alexandros, den sie vor langer Zeit gekannt hatte, hätte es vielleicht nachvollziehen können … aber dieser Mann hier nicht.
Kallie war froh, Eleni nie verraten und die Wahrheit für sich behalten zu haben. Sie musste herausfinden, was Alexandros von ihr wollte. Denn dass er etwas wollte, stand absolut fest.
Sie legte einen eisernen Panzer um ihr Herz. Die Gespräche, die er erwähnt hatte, gehörten in eine andere Zeit. Eine Zeit der Unschuld. Aber, erinnerte sie sich, nach dem Tod seines Vaters hatte er die Leitung von Kouros Shipping übernommen und sich verändert. Unter seiner Leitung war die millionenschwere Firma zu einem Milliarden umsetzenden Imperium geworden. Er war nicht mehr der Mensch, den sie einst gekannt hatte, der ihr anvertraut hatte, er würde am liebsten Kunst studieren.
„Ich habe nicht … Es war nicht so, wie du denkst“, entgegnete sie kläglich.
Er beugte sich vor. „Ach, und wie war es dann, Kallie?“
Langsam näherten sie sich dem Ziel dieses Abendessens. Kallie verspürte Erleichterung in sich aufsteigen. Einen wütenden Alexandros, der sie hasste, konnte sie einschätzen. Mit ihm konnte sie umgehen.
„Es war nie meine Absicht, dich zu verletzen, Alexandros. Aber glaub, was du willst … deine Meinung steht ja seit jenem Tag fest.“
„Du hast mich nicht verletzt“, spottete er. „Aber mit deinem sorglosen grausamen Verhalten hast du eine Spur der Zerstörung hinter dir hergezogen. Dein Onkel Alexei …“
Er ließ den Satz unbeendet. Auf den abrupten Themenwechsel war sie nicht vorbereitet. Sofort kehrte ihre Wachsamkeit zurück. Unter dem Tisch ballte sie die Hände zu Fäusten.
„Was ist mit ihm?“
Gleichgültig zuckte Alexandros die Schultern. „Ich habe gehört, er steckt in Schwierigkeiten …“
Schuldgefühle stiegen in Kallie auf. Die Worte ihres Onkels von vor zwei Tagen fielen ihr wieder ein. Er hatte gesagt, er habe sich an Alexandros wenden müssen. Bislang hatte sich noch keine Gelegenheit ergeben, ihn zu fragen, was er damit eigentlich gemeint hatte.
„Was für Schwierigkeiten?“, stieß sie hervor.
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