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Die Rache des Kaisers

Titel: Die Rache des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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dachte, einer von ihnen könnte gefallen sein.
    An diesem Abend stand uns zum letzten Mal ein Anteil an der Verpflegung unseres Fähnleins zu. Mit Brot, Wein und ein paar Stückchen Fleisch von einem hochbetagten Ochsen gingen wir zu unserer Unterkunft. Beim Essen besprachen wir, wer am nächsten Tag in welchem Abschnitt suchen und wann wir uns treffen sollten.
     
    Der Vormittag war kühl und klar; mir dagegen war warm und wirr ums Herz. Die oberflächlichen Wunden fast verheilt, ein paar Nächte ungestörten Schlafs, ohne Geschützdonner, das Gemetzel ebenso beendet wie die Zugehörigkeit zu Seydels Fähnlein, kein Regen, der Schnee der letzten Tage geschmolzen - das Erwachen aus einem Albtraum. Anderen ging es ähnlich. Während der Kämpfe, in den Breschen, sogar in den Stollen hatte es die üblichen grimmigen Scherze gegeben, hin und wieder Albernheiten, die die Spannung ein wenig lösten; aber an diesem Vormittag hörte ich hier und da jemanden lachen, sah Menschen lächeln und Frauen in bunten Röcken umhergehen, nicht geduckt laufen und auf das Heulen der Kanonenkugeln achten. Unmöglich, daß ich - vor Stunden, vor Tagen, eben erst? - getötet und geblutet hatte und in der Unterwelt durch Gedärm und zerhackte Glieder gestolpert war.

    Schwert und Messer, mehr nahm ich nicht mit; Helm und Harnisch erschienen mir überflüssig an diesem Tag ohne Krieg, da ich lediglich Ausschau halten wollte nach den drei Männern.
    Kaum hundert Schritte jenseits des zerlegten Kärntnertors stieß ich auf einem kleinen Platz beinahe mit Jérôme de Castelbajac zusammen. Er pfiff vor sich hin, schien bester Laune, trug Helm, Harnisch, Schwert und über der rechten Schulter einen offenbar schweren Beutel. Ich wich ihm aus und ging an ihm vorbei.
    Als ich neben ihm war, sagte er, ohne mich anzusehen: »Wenn du Symonds suchst, der ist woanders. Er kümmert sich gerade um deinen struppigen Freund.« Dann blieb er stehen, wandte sich zu mir und setzte mit einem flüchtigen Grinsen hinzu: »Oder hast du geglaubt, ihr drei wärt die einzigen, die andere beobachten?«
    Fast hätte ich nach Luft geschnappt. Ich bemühte mich, die Verblüffung nicht zu zeigen, blieb ebenfalls stehen und sagte: »Habt ihr das Beobachten denn so genossen wie wir? So nette Dinge wie Flüchtlinge abstechen und fleddern haben wir aber nicht zu bieten.«
    Castelbajac lachte. »Willst du einen Anteil? Oder warum kümmert dich das?«
    Der Platz war leer, es war fast Mittag. Keiner sieht uns , dachte ich, warum nicht hier und jetzt ? Aber er hatte Helm und Harnisch, ich nur kleine Waffen. Andererseits … nach all den Jahren stand ich ihm endlich gegenüber.
    »Weißt du, warum wir euch beobachtet haben?« sagte ich; dabei trat ich einen halben Schritt zurück.
    Er legte die linke Hand an den Riemen des Beutels über seiner Schulter und rümpfte die Nase. »Was geht’s mich an? Alte Rechnungen, schätze ich. Aber wozu soviel Aufwand?
Ihr seid doch quitt. Du und Symonds, ihr seid zweimal aneinandergeraten. In Rom hat er einen Freund von dir erledigt, du in Venedig diesen ekelhaften Neapolitaner.«
    »Nicht nur den. Auch Piranesi.«
    Castelbajac runzelte die Stirn. »Glückwunsch, der war ein harter Kämpfer. Aber kein Freund von Symonds; hat also nichts damit zu tun.«
    »Wo hält sich eigentlich Eminenz Mantegna auf?«
    »Mantegna?« Etwas wie Überraschung huschte über sein Gesicht, schwand aber sofort wieder. »Das Schwein ist da, wo es sich am besten suhlen kann. Beim Papst im Dreck, nehm ich an. Wie kommst du auf den?«
    »Nur so«, sagte ich. »Reine Neugier. Du hast aber bei der Aufzählung von Leichen eine vergessen.«
    Er kniff die Augen zusammen. »Welche?«
    »Lukas Haspacher.«
    Diesmal war die Überraschung deutlich zu sehen und auch zu hören, als er sagte: »Den auch? Mann … Haspacher, Piranesi, der Neapolitaner - und jetzt Symonds, als nächster?«
    »Vielleicht. Weißt du, wie ich heiße?«
    Er schnaubte leise. »Nein, wozu? Willst du dir einen Namen als Männertöter machen? Vanitas vanitatum .« Er grinste.
    »Es ist nicht Eitelkeit, Maître Jérôme Deschamps.«
    »Ah.« Er schwieg einen Moment und schien in meinem Gesicht etwas zu suchen. Erhellung? Offenbarung? »Du hast … Geht es um mich? Aber wozu dann die anderen?«
    »Sagt dir der Name Spengler etwas?«
    »Spengler? Spengler? So lange her, in diesem Dorf bei Koblenz? Was hast du damit zu tun?«
    »Ich bin Jakob Spengler. Georg Spengler war mein Vater, und ich war an dem Morgen im

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