Die Rache des Kaisers
ging, außer Sicht rheinabwärts, ohne jedoch allen Schleifen zu folgen. Das große, prächtige Speyer, das ich gern besucht hätte, sahen wir in der Abenddämmerung weit jenseits des Flusses liegen. Flußfischer erzählten uns, die Stadt habe sich den Bauern angeschlossen, es werde nicht gekämpft, aber es erschien uns sicherer, möglichst unsichtbar zu bleiben. Zwei Tage später sahen wir abends die Oppenheimer Fähre eben vom Ostufer ablegen und verbrachten die Nacht in einer Scheune.
Am nächsten Morgen warteten wir auf den Fährmann.
Wie ich gehofft hatte, waren Kassem und Avram zurück zum Rhein geritten; beim Fährmann hatten sie ein kurzes Schreiben in arabischen Zeichen zurückgelassen. Darin stand, sie wollten versuchen, auf anderen Wegen nach Heidelberg und von dort, wenn die Lage der Dinge es erlaube, nach Augsburg zu gelangen.
»Sind sie über den Rhein gegangen?« sagte ich.
Der Fährmann schwieg beharrlich, bis ich ihm einen halben Gulden gegeben hatte.
»Ich habe sie wieder nach Oppenheim gebracht« sagte er dann. »Und soweit ich weiß, sind sie von dort nach Worms und weiter nach Speyer geritten.«
Plötzlich kam mir ein anderer Gedanke. »Hast du die Miralda gesehen?«
»Sie ist zuerst flußaufwärts gefahren - getreidelt, und vorgestern wieder abwärts hier vorbeigekommen.«
»Was willst du von der Miralda?« Jorgo betrachtete mich unter hochgezogenen Brauen.
»Vielleicht wissen die dort mehr von den Vorgängen; vielleicht können sie uns sichere Wege nennen.«
»Wer oder was ist die Miralda?« sagte Karl.
»Ein Schiff mit Künstlern - Schauspieler, Musiker, Taschenspieler, Gaukler, derlei.«
Karl nickte. »Sei sicher, die wissen auch nichts, aber vielleicht erbauen sie uns ein wenig.«
Wir fanden die Miralda unterhalb eines Dorfs, das bis auf blökende Kühe verlassen oder in bleiernem Nachmittagsschlaf versunken schien. Sie schaukelte, den Bug flußaufwärts gerichtet, an ihrer Ankerkette, einen Steinwurf vom Ostufer entfernt. Die Pforte, durch die bei Bedarf der Steg geschoben wurde und zu der eine senkrechte Leiter führte, war geschlossen.
Die Backbordwand, etwa anderthalb Mannshöhen über dem Wasser, war zu beiden Seiten des Schaufelrads mit Flecken bedeckt, die an Kuhfladen erinnerten und zu suppen schienen. Auf der Kante der Bordwand ragten Stangen schräg nach oben, zwischen denen Netze gespannt waren.
Ein bärtiger Mann stand auf dem Achterdeck und schaute zu uns herüber, als wir die Pferde zügelten. Ohne hastige Bewegungen richtete er eine Arkebuse auf uns.
»Ist der Große Alberto zu sprechen?« rief ich.
Der Mann hob eine Hand. Ich konnte nicht hören, ob er etwas sagte, aber ein paar Augenblicke später erschien der Große Alberto in der Kajütentür. Er blickte zu uns, erkannte mich, kam an die Bordwand und rief: »Hast du Papisten bei dir, Evangelische oder Menschen?«
»Menschen.«
Samper wandte sich an den Wächter auf dem Achterdeck und gab ihm wahrscheinlich einen Befehl. Der Mann bewegte sich zum Heck; als er über das Geländer kletterte und sich in den unten schaukelnden Kahn gleiten ließ, sah ich, daß er ein Zwerg war.
»Legt ihr Wert auf eure Pferde?« sagte er, als das Boot ein paar Schritte vor uns knirschend den Uferkies berührte.
»Gibt es hier Pferdediebe?« Jorgo wies mit dem Daumen hinter sich, aufs Dorf. »Da ist doch offenbar niemand.«
»Die kommen wieder. Wir werden arbeiten müssen. Bis gleich.«
Er legte wieder ab, ruderte zurück zur Miralda, wechselte ein paar Worte mit Samper und ließ sich ein Tau zuwerfen. Während er erneut zum Ufer kam, tauchten hinter der Bordwand mittschiffs weitere Leute auf.
Wir zogen die Miralda zum Ufer, bis man den Steg benutzen konnte. Es war nicht ganz einfach, die Pferde an Bord zu
bringen - zerren, schmeicheln, locken, schieben. In der Nähe des Masts gab es zwei Tröge, die ich bei meinem ersten Aufenthalt an Bord nicht bemerkt hatte. Aber wer sucht schon auf einem fremden Schiff nach Trögen? Ein Mann schöpfte mit einem Eimer Wasser aus dem Rhein und füllte den linken Trog, ein anderer schüttete Hafer in den rechten. Wenn die Miralda rheinaufwärts getreidelt wurde, sagte ich mir, mußten gelegentlich Zugtiere versorgt werden.
»Was hat es mit den angeblichen Pferdedieben auf sich?« sagte Jorgo, nachdem ich ihn und Karl dem Großen Alberto vorgestellt hatte.
»Kommt in die Kemenate«, sagte er. »Da läßt sich besser reden.« Er wandte sich an eine junge Frau, die aus dem Verschlag am
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