Die Rache des Kaisers
Bug auftauchte. »Sei so gut und bring uns warmen Wein und Brot.« Dann deutete er auf die mit Netzen bespannten Stangen an der Bordwand. »In diesen trüben Zeiten«, knurrte er, »muß man Vorkehrungen treffen. Gegen Pferdediebe und anderes Gesindel. Kommt.«
In der Kajüte wollte er zuerst von unseren Erlebnissen hören. Als ich mit gelegentlichen Ergänzungen von Jorgo - Karl aß und schwieg - berichtet hatte, hob Samper den Becher. »Auf Lukas Haspachers Ende«, sagte er. »Möge seine Seele in der Hölle braten. Falls es die gibt. Und wenn, dann möge er recht bald viel Gesellschaft erhalten. Papistische und evangelische vorzugsweise.«
»Was haben dir die Frommen angetan?« sagte ich.
»Sie machen uns brotlos.«
»Kannst du wegen der Kämpfe keine Aufführungen machen? Ist es denn hier am Rhein so schlimm?«
Er schnitt eine Grimasse. »Ein bißchen kämpfen, bah, wen stört das? Nach dem Kampf will man sich entspannen. Nein, es sind die Frommen überhaupt, auch ohne Kampf.
Die Pfaffen waren immer schon Heuchler, haben meinen Tänzerinnen zwischen die Beine gestarrt und ›Unzucht‹ gemurmelt.«
»Man murmelt«, sagte Jorgo mit einem Grinsen, »immer das, wonach man sich gerade sehnt. Hörte ich.«
»Natürlich. Aber das gilt offenbar nicht für die Evangelischen. Sie haben beschlossen, das Reich Gottes auf Erden zu errichten, und im Reich Gottes darf nicht gelacht werden. Alles ist ernst, wir sollen schuften und uns ernähren, um weiter schuften zu können, nicht etwa essen, was uns schmeckt. Sie zerschlagen die Bilder und Statuen in den Kirchen, die vielleicht anderen heilig sind, weil nur bleiben soll, was ihnen heilig ist. Sie murmeln nicht, sie brüllen; sie genießen nicht, sondern wollen sich plagen. Und wer nicht genießen mag, ist selbst ungenießbar.« Er ließ all dies schnell und fast ohne Atempausen heraussprudeln.
»Gibt es für deine Rede einen unmittelbaren Anlaß?« sagte ich.
»Theater ist lästerlich. ›Du sollst dir kein Bildnis machen‹, ja? Nicht vom Herrn und nicht von seiner Schöpfung. Außerdem ist jede Form von Spiel Blasphemie, weil sie den Ernst schändet, mit dem wir bei allem zu Werke gehen sollen. Bah. Ihr werdet es hören und sehen.« Er deutete auf die Kajütenwand, hinter der das Ufer war. »Abends melken sie ihre Kühe, dann sprechen sie ein paar Gebete, und dann kommen sie ans Ufer, um uns zu verfluchen. Muß ihnen wohl Vergnügen bereiten - was eigentlich lästerlich ist.«
»Ihr könnt also nicht spielen, nichts aufführen?«
Er hob die Schultern. »Hier liegen wir einigermaßen sicher; sie schimpfen, aber mehr tun sie nicht. Bis jetzt. Und jeden Tag frage ich alle Boote, die rheinaufwärts kommen, ob sie etwas von den Zuständen flußab wissen. Sobald ich
verläßlich höre, daß in Mainz oder Bingen oder wo auch immer nicht dieser Wahnsinn herrscht, werden wir aufbrechen. Aber bis dahin?«
Ich wechselte Blicke mit Jorgo und Karl; dann sagte ich: »Da es am Ufer offenbar nicht recht heiter zugeht, würden wir gern für eine Nacht die Gastlichkeit der Miralda mißbrauchen.«
Der Große Alberto nickte. »Hast du diesmal deine Fiedel mitgebracht?«
Plötzlich hörten wir Getrampel und Stimmen auf dem Deck; eines unserer Pferde wieherte. Samper sprang auf und lief zur Tür der Kajüte.
»Kommt mit, wenn ihr die Abendgrüße der Dorfbewohner hören und sehen wollt.«
Wir folgten ihm. Die Frauen und Männer der Truppe hielten Stangen und Spieße bereit, um notfalls jemanden abzuwehren, der durch die Netze kriechen wollte. Am Ufer standen und knieten etwa fünf Dutzend Menschen - Männer, Frauen, wenige Kinder. Sie schienen gemeinsam zu beten. Weitere kamen hinzu, und diese Nachzügler brachten Körbe und Bottiche mit. Die Betenden beendeten ihre Übungen und griffen in die Behälter, holten Gegenstände heraus und warfen sie auf die Miralda. Die meisten landeten im Wasser oder klatschten an die Bordwand, die übrigen erreichten die Netze. Unter den wirren Rufen am Ufer glaubte ich, Wörter wie »Satansknechte« und »Lästerer« herauszuhören.
»Steine, Lehm und Pferdeäpfel«, sagte Samper. »Man könnte sagen, ihre stoffgewordenen Gedanken.«
»Vielleicht hat der Herr, an den sie glauben, ihren Gebeten diese Gestalt gegeben«, knurrte Jorgo.
»Meister«, rief ein Mann, der an der Flußseite der Miralda stand.
Samper ging mit schnellen Trippelschritten zu ihm und schaute über die Bordwand. »Ei die listigen Trottel«, sagte er. »Wo sind die
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