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Die Rache des Kaisers

Titel: Die Rache des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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aufgelegt worden, ihre größte, weil längste Qual. Der kaiserlich gesinnte Bischof von Potenza wurde dreimal geschätzt und zuletzt doch umgebracht. Zu Hunderten wurden diese Elenden an Stricken hin und her geführt. Man verkaufte sie in den Soldatenlagern oder würfelte um sie. Man marterte sie mit teuflischer Grausamkeit. Manche gaben sich selbst den Tod. Viele verschmachteten im Gefängnis.
    Vornehme Frauen wurden vor den Augen der Eltern und Männer vom erstbesten Landsknecht besprungen. Vergebens
umklammerten edle Römerinnen die Altäre der Klöster; man riß sie samt den Nonnen hinweg, um sie in die Lagerhöhlen trunkener Soldaten abzuführen. Herrliche Frauengestalten sah man nackt und weinend von Kriegsknechten durch Rom geschleppt, dagegen Kurtisanen lachend einhergehen, in Purpurmäntel oder goldne Meßgewänder gehüllt, während Landsknechte wiederum Priester in Weiberkleidern mit sich zerrten. Marquisen, Gräfinnen und Baronessen bedienten jetzt die ausgelassenen Krieger.
    Die Krieger Frundsbergs und Bourbons, welche wie hungernde Wölfe bei Regen und Sturm durch die Provinzen Italiens gewandert waren, zogen jetzt in Rom einher in Purpurkleidern, die Taschen gefüllt mit Edelsteinen, funkelnde Bänder um die nervigen Arme, den Hals umwunden mit dem goldenen Schmuck edler Frauen oder heiliger Madonnen. Man sah Landsknechte, welche die kostbarsten Perlen in ihre Schnurrbärte geflochten hatten. Sie tafelten in Prachtpalästen vom Gold und Silber der Kardinäle, bedient von zitternden Großen. In einer einzigen Nacht war die glänzende Hülle von Rom gefallen. Was waren jetzt all diese im Pomp einherwandelnden Herren und Herrendiener, welche gewohnt gewesen, auf Nichtrömer mit Geringschätzung herabzusehen! Zerlumpt und zerschlagen wankten sie in den Straßen umher oder lagen sie auf den Foltern, oder sie dienten dem rohen Kriegsvolk als Köche, Stallknechte, Wasserträger in ihren eigenen ausgeraubten Palästen.«

ACHTZEHN
    A uch ich war in diesem Arkadien. Am siebten Tag der Plün derung sah ich nachmittags am Südrand des Kapitols Piranesi, das Wiesel, und Harry Symonds war bei ihm.
    Sie waren jedoch Teil einer Gruppe von etwa anderthalb Dutzend Söldnern, also unangreifbar. Wir waren, wie immer, zu viert; alles andere wäre tödliche Leichtfertigkeit gewesen. Auch zu viert war man nicht sicher; die Wahrscheinlichkeit des Überlebens wuchs jedenfalls mit der Anzahl der Männer.
    »Da vorn.« Ich zog den Hut tiefer ins Gesicht.
    Avram und Jorgo sagten gleichzeitig: »Wo?«
    »Die Gruppe, die jetzt rechts abbiegt.«
    Karl hob die Hand. »Schon gesehen. Kennst du noch einen von denen?«
    »Der links neben Piranesi ist Symonds. Der mich in Venedig überfallen hat.«
    »Ach, der?« Karl spuckte aus. »Der ist in Prato auch dabeigewesen, ich hab nur nie seinen Namen gewußt.«
    »Was ist mit Prato?« sagte Avram.
    Jorgo und Karl erzählten ihm halblaut von dem Gemetzel, während wir in einigem Abstand der Gruppe um Piranesi folgten. Aus der Ferne hörten wir Schreie, Schüsse, das Klirren von Waffen. Der Rauch brennender Gebäude trieb in Schwaden über die Stadt, angereichert durch den Geruch von Kot, Blut und Erbrochenem, gesättigt durch den Gestank
der Verwesung. Sichernd, eine Arkebuse schußbereit, das Schwert gelockert, stiegen wir über einzelne Leichen und gingen mit angehaltenem Atem an Leichenhaufen vorbei, an schwelgenden Geiern, Krähen und Ratten, die sich kaum stören ließen.
    Ich fühlte mich dreigeteilt. Im Ohr die Blutbäder und Grausamkeiten von Prato, die Augen auf Piranesi und seine Gruppe gerichtet, dachte ich darüber nach, wie schnell der Geist abstumpft. Ekel, Entsetzen und Todesangst der ersten Tage des sacco von Rom waren verschwunden; natürlich ließen sie sich heraufbeschwören, willentlich wieder hervorrufen, aber ohne dieses Bemühen empfand ich nur Überdruß, eine gewisse Minderung des Befindens. Die Leiden, die Leichen, die Schreie, all dies war nur noch lästig. Große Dichter haben geschrieben, unter solchen Bedingungen werde der Mensch zum Tier. Ich glaube das nicht, da kein Tier derartige Bedingungen schaffen kann; das ist dem Menschen vorbehalten, und allenfalls noch der Natur insgesamt, wenn sie sich in Erdbeben und Feuersbrünsten ergeht. Ob Gott, falls es ihn - oder einen gleichen anderen Namens - wirklich gäbe, ähnlich abstumpfte, wenn er die Qualen seiner Geschöpfe sähe? Denn er hätte uns ja geschaffen, und damit wäre er Urheber unserer Fähigkeiten,

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