Die Rache des Kaisers
Söldner geblieben aus dem Heer, das vor über einem Jahr den großen Sieg bei Pavia errungen hatte, und dazu spanische Regimenter. Immer wieder kam es zu kleineren Gefechten, und niemand wußte genau, wer gerade wo gegen wen antreten wollte.
Wir mußten vorsichtig reiten, um nicht zwischen die beweglichen Fronten zu geraten. Anderen ging es ähnlich: Die päpstliche Gesandtschaft zog in Schlangenlinien Richtung Mailand; unterwegs teilte sie sich plötzlich. Der Legat, ein Mann namens Mantegna, reiste nach Mailand weiter, einige andere mit einem Teil des Trosses und Geleits bogen nach Süden ab, und erst nach zwei Tagen des Reitens stellten wir fest, daß Piranesi nicht bei dem Legaten geblieben war.
Aber ich kam ihm nicht näher. Die Truppe ritt und marschierte, fand in einigen Orten Zulauf, sammelte unterwegs neue Kriegsknechte oder schweifende Söldner, die sie verstärkten, lieferte sich Scharmützel mit kleinen spanischen Einheiten, die zu einer norditalienischen Festung wollten, trödelte, beschleunigte …
Wir mußten auch marodierenden Söldnern ausweichen, die seit Pavia nicht mehr bezahlt worden waren, sich durch Plünderei und Raub ernährt hatten und nun unterwegs nach Norden waren, um sich Frundsberg anzuschließen.
Georg von Frundsberg, »Vater der Landsknechte«, die er immer mit »Brüder« oder »meine Söhne« anredete und
besser behandelte als alle anderen Heerführer, hatte seinen Besitz verpfändet und bewegliches Gut verkauft, um auf des Kaisers Ruf hin ein neues Heer aufzustellen und nach Italien zu bringen. Irgendwann im Winter schlug er ein päpstliches Heer bei Brescia und führte seine Leute weiter nach Süden, in ein Lager nahe Bologna.
Aber vom Kaiser kam kein Nachschub, auch nicht der wichtigste: Geld. Im Frühjahr konnten sich die Soldaten nicht mehr selbst ernähren, das Land war ausgeplündert, überall wurde gehungert. Wir ritten hinter Piranesis Trupp her, Richtung Rom, als wir hörten, daß die »Kinder« gegen ihren »Vater« rebelliert hätten. Frundsberg, inzwischen fünfundfünfzig Jahre alt, hatte vergeblich versucht, sie zur Ruhe zu bringen und war dabei bewußtlos zusammengebrochen, auf eine Trommel gestürzt - der Schlag hatte ihn getroffen. Später, viel später hörte ich, man habe ihn in die Heimat gebracht, wo er ein Jahr später gestorben sei.
Auch spanische Truppen hungerten, ohne Geld, Nahrung und Nachschub, ebenso italienische Söldner im Dienst des Kaisers. Karl V. hatte kein Geld, oder er wollte keines schikken, oder er wußte nicht, wie schlimm es um seine Leute stand. Gleichviel: Die hungernden Kämpfer schlossen sich zusammen und zogen gegen Florenz, das jedoch von einem Heer der Liga verteidigt wurde. Dann hieß es bei ihnen plötzlich, eigentlich sei ja der Papst an allem schuld, Clemens mit seiner Schaukelpolitik, und bei ihm werde man sich den fehlenden Sold holen.
Hungernd, plündernd, mordend brachen die Söldner auf, aßen Rinde und Wurzeln, und Anfang Mai erreichten sie Rom. Sie verlangten zweihundertfünfzigtausend Dukaten vom Papst, dann würden sie die Stadt verschonen. Der Papst lehnte ab, im Vertrauen auf die Mauern der Stadt und
ihre Verteidiger, und so begann der Sturz des Ewigen Rom in die Hölle.
Wir hatten wieder einmal die Spur verloren; Piranesi mochte sich in Rom befinden, in einem von zehntausend Häusern, oder er mochte nach Ostia geritten sein, nach Neapel, nach China. So kam es, daß wir in Rom nach ihm suchten, als der Sturm losbrach. Unsere Waffen retteten uns. Und die Dreistigkeit, mit der wir in den folgenden Tagen Abzeichen, Jacken, Helme ablegten, andere anzogen, diese wieder gegen dritte tauschten. Wir kamen mit dem Leben davon. Und mit Erinnerungen, die wir gern zurückgelassen hätten.
SIEBZEHN
M orgens waren die Straßen bedeckt mit Trümmern, mit Toten und Sterbenden. Aus brennenden Häusern, vor denen Menschen standen oder knieten und beteten, sprangen andere in der Hoffnung auf einen schnellen, sauberen Tod oder darauf, daß Angehörige sie auffingen. Aus den Kirchen, den tausend Kirchen Roms, war Gebrüll zu hören, manchmal Gewieher von Pferden, wenn Reiter nicht zum Plündern absteigen mochten, sondern ihre Tiere hineintrieben. Männer und Frauen, Alte und Kinder rannten eine Straße entlang, mit nicht mehr als den Kleidern auf dem Leib, nur mit dem einen Wunsch, den Plünderern und Schändern zu entkommen, die sie verfolgten; und sie rannten, bis ihnen eine andere Gruppe von Flüchtigen entgegenkam, ebenso
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