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Die Rache des Kaisers

Titel: Die Rache des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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einander die Hölle zu bereiten. Da ich mir, wenn überhaupt einen Gott, diesen nicht abgestumpft vorstellen kann, muß ich wohl annehmen, daß er sich an Gräßlichem ergötzt.
    Dann schweiften meine Gedanken zu einem völlig wahnsinnigen Flug aus, der die zurückgelegte Strecke, die betrachteten Orte, Menschen und Geschehnisse als Gemenge aus räudigem Raum und gerinnender Zeit schaute - das Gemenge, das mich von Laura trennte, weiter wucherte und die Entfernung vergrößerte, vergröberte. Als sei Laura ein
Teil von mir, den ich nicht mehr berühren konnte, weil eine scheußliche Geschwulst, ebenfalls Teil von mir, dazwischen aufragte.
    Mühsam richtete ich die Gedanken wieder auf Giambattista Piranesi, Harry Symonds und die anderen, die dort vor uns offenbar einem Ziel zustrebten. Vom Kapitol aus waren sie, durch Trümmer, Asche und Leichen, nach rechts abgebogen, als wollten sie zu einer der Tiberbrücken, aber dann blieben sie auf dem linken, städtischen Ufer und folgten dem Fluß.
    Hin und wieder tauchten andere Gruppen grölender, betrunkener Plünderer auf. Einmal riefen die Leute um Piranesi einer solchen Meute etwas zu, und zwei oder drei wankende Gestalten schlossen sich der größeren Schar an.
    »Allmählich fallen wir auf«, sagte Jorgo. »Wenn die sich mal umdrehen …«
    »Habt ihr eine Ahnung, wohin die wollen?«
    Jorgo hob die Schultern. »Sieht so aus, als ob sie zum Aventin wollten. Da gibt’s einige Palazzi mit Gärten, zwischen Hang und Fluß. Vielleicht haben die sich da eingenistet.«
    Karl knurrte leise; dann sagte er: »Aber was wollen die da jetzt? Schon fertig mit Plündern? Und wozu laden sie andere ein, sich ihnen anzuschließen?«
    Jorgo zupfte mich am Arm und deutete nach links, in die Mündung einer schmalen Gasse. »Wir sollten sie weniger auffällig verfolgen. Da lang wär besser, glaub ich.«
    »Gut«, sagte ich. »Versuchen wir’s.«
    Die Gasse war noch scheußlicher als die breite Straße. Leichen, streunende Hunde, Ratten, aufgetürmte halbverbrannte Möbel, zerbrochene oder mit Brettern vernagelte Fenster, klaffende Türen wie wunde Münder, die Todesklagen
spien - aber wir konnten Piranesis Horde folgen, konnten sie durch Haustrümmer und Verbindungswege grölen und reden hören.
    Irgendwann wurden sie leiser, schienen sich zu entfernen; gleichzeitig stieg die Gasse an zum Aventin. Wir kletterten über Mauern, liefen durch verlassene Gärten, sahen hin und wieder Überlebende, die sich duckten, um nicht von uns bemerkt zu werden, und kamen schließlich oberhalb eines weitläufigen Geländes heraus, das zu einer Villa gehörte.
    Und wir kamen gerade rechtzeitig, um zu sehen, was sich dort abspielte. Hinter Gebüsch und Mauerresten verborgen wurden wir Zeugen der nächsten Szene des Dramas, das man später den sacco di Roma nennen sollte.
    Piranesis Gruppe kam langsam, lachend, durch ein Tor; einige torkelten, andere wurden von Kameraden gestützt. Der Torweg führte in einen Innenhof teils neben, teils hinter der Villa. Als die letzten im Hof waren, tauchten aus dem Gebäude andere auf, die sie mit munteren Rufen begrüßten und die schweren Torflügel schlossen.
    Dann fielen einige Schüsse, blinkende Klingen färbten sich rot, wir hörten Todesschreie und jenes Gurgeln, das aus geschlitzten Hälsen dringt und nicht mehr Ruf oder Schrei werden kann.
    Es dauerte nicht lange, nur ein paar Atemzüge - so kam es mir jedenfalls vor. Piranesi, Symonds und vielleicht ein Dutzend weitere Männer, von denen einige mit der Gruppe gegangen, andere aus dem Haus gekommen waren, begannen, die Beutel, Gürtel und Taschen der Getöteten zu leeren; jemand schleppte eine Art Wanne oder einen großen Bottich herbei, und die Beute wurde hineingeschüttet.
    Zwei Männer gingen zum Tor, öffneten einen der Flügel und traten auf die Straße am Tiberufer.

    »Sichern?« murmelte Jorgo. »Unsinn - wer soll die denn behindern?«
    »Alte Gewohnheiten«, flüsterte Karl, »legt man nicht so schnell ab.«
    »Tja.«
    Jeweils zwei Mann packten einen der Toten, hoben ihn an und schleppten ihn zum Fluß. Ich schloß die Augen und versuchte zu schätzen, wie viele Leichen der Tiber seit Gründung der Stadt aufgenommen haben mochte.
    Als ich die Augen wieder öffnete, war der Hof leer.
     
    Wir hatten unser Quartier in einem überwucherten, aber festen Schuppen aufgeschlagen, der in einer Trümmerwüste nahe der Mauer des Aurelianus stand. Wahrscheinlich hatte er als Gartenhaus oder Werkzeugschuppen

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