Die Rache des Kaisers
fahl. Er atmete flach, in schnellen Stößen. Aber er versuchte zu lächeln.
»Guter Kampf«, flüsterte er, »gutes Ende. Piranesi?«
»Leistet Haspacher Gesellschaft«, sagte Avram hinter mir. Seine Stimme klang fremd, halb erstickt, und ohne hinzusehen, wußte ich, daß er weinte.
Jorgos Hand hörte auf, nach der Wunde und den Eingeweiden zu tasten. Sie hob sich, versuchte mein Gesicht zu erreichen. »Jakko«, hauchte er, »warum hast du mich nie …« Die Hand fiel, der Kopf kippte zur Seite.
Karl drückte ihm die Augen zu.
»Wir werden sie zu Trommeln und Pfeifen auf der Piazza Navona hängen.« Hoyos wies mit dem Kinn auf die vier Männer von Piranesis Haufen, die den Kampf überlebt hatten. »Eine eroberte Stadt plündern ist eines, die eigenen Kameraden ermorden und fleddern etwas anderes. Seid Ihr zufrieden, Señor?«
Zwei Spanier waren gefallen, einige hatten - wie Avram - leichte Verletzungen davongetragen. Die Unversehrten schleppten die Toten hinaus in den Garten, wo mit Ästen sowie Möbeln und Büchern aus der Villa ein Scheiterhaufen errichtet wurde.
»Zufrieden?« Ich preßte die Lippen zusammen. »Ich habe einen älteren Bruder verloren und einen alten Feind getötet. Aber das, was ich von ihm wissen wollte, habe ich nicht erfahren.«
Der Fähnrich nickte. »Herb, ohne Zweifel. Aber manchmal muß man sich bescheiden. Mit einem Teil der Beute, zum Beispiel, über die zu reden sein wird.«
»Was wollt Ihr bereden? Wir haben doch …«
Er hob die Hand. »Ihr hattet hälftige Teilung angeboten, ich weiß; aber wir waren sechzehn, ihr wart vier. Nun sind wir vierzehn, und ihr seid drei. Wir werden also alles, was wir finden, durch siebzehn teilen - drei Teile für Euch, der Rest für uns.«
»Und es wäre unklug von mir, Euch und Euren Waffen zu widersprechen, nehme ich an. Der Scheiterhaufen könnte sonst höher werden.«
Hoyos lachte. »Es ist immer ein Vergnügen, mit klugen Männern zu verhandeln.«
Ich war ihm beinahe dankbar dafür, daß ich mich ärgern durfte; denn während ich mich ärgerte, dachte ich nicht an Jorgo, seine seltsame unvollendete Frage und all die Antworten,
die Piranesi mit in die Hölle genommen hatte. Falls es eine gab und sie sein Aufenthaltsort war.
Und bei allem mußten wir Hoyos tatsächlich dankbar sein; er hätte ebenso gut die gesamte Beute nehmen und uns auf den Scheiterhaufen legen können.
Insgesamt fanden wir in der Villa über eine halbe Million - Dukaten, Zechinen, Gulden; dazu Ringe, Ketten, jede Art Geschmeide, kostbare Waffen … Und Hoyos war großmütig, könnte man sagen. Er überließ Karl, Avram und mir je dreißigtausend Dukaten und ein paar Schmuckstücke, die wir selbst aussuchen durften. Der Anteil der einzelnen Spanier war größer; außerdem nahmen sie nahezu das gesamte Geschmeide und die Waffen.
Die Sonne war längst untergegangen. Gleich nach dem Ende des Gefechts hatte der Alférez ein paar seiner Leute losgeschickt, um Karren zu beschaffen. Als sie mit sechs Wagen und mehreren zusätzlichen Männern zurückkehrten, waren wir eben mit dem Scheiterhaufen und der Schichtung der Leichen fertig. Die Leute hatten ein paar Krüge Öl mitgebracht, ich weiß nicht, ob aus eigenem Antrieb oder auf Hoyos’ Befehl hin. Einer kletterte auf den Stapel und leerte von oben einen der Krüge, der Rest wurde von den Seiten hineingeschüttet.
Einer der Spanier entzündete eine Fackel und reichte sie Hoyos. Der Fähnrich warf mir einen Blick zu; ich schüttelte den Kopf. Hoyos trat ein paar Schritte zurück und warf die Fackel in hohem Bogen auf den Scheiterhaufen.
Jorgo lag nicht darauf; wir hatten ihn im Garten der Villa begraben.
Die Spanier begannen, die Kisten, Bottiche, Eimer, Säcke und Beutel auf die Karren zu laden.
»Ihr wollt die Nacht hier verbringen?« sagte Hoyos, als wir keine Anstalten machten, etwas zu verpacken.
»Das werden wir müssen. Wie sollen wir denn alles zu unserer Unterkunft bringen?« Unsere Waffen, uns selbst, und dazu jeder dreißigtausend Dukaten: das Gewicht von zwei schlanken Männern …
Hoyos kratzte sich den Kopf. »Es war eine erfreuliche und für alle einträgliche Zusammenarbeit«, sagte er. »Und unter Waffenbrüdern gelten die Regeln der Gastfreundschaft. Was meint Ihr, Señor - wollt Ihr nicht lieber alles auf einen der Karren packen und die Nacht bei uns im Quartier verbringen? Ich glaube nicht, daß der Ort hier besonders sicher ist. Wir wissen ja nicht, ob nicht noch mehr Leute zu der Bande
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