Die Rache des Marquis
Freund.
»Können wir jetzt gehen?« Sie warf wieder einen Blick auf die Männer am Boden.
»Warum bist du so nervös, Jade?« fragte Caine. »Du warst doch schon mehrmals hier.«
»Damals habe ich mit Profis zusammengearbeitet«, betonte sie.
Lyon wechselte einen belustigten Blick mit Caine. »Sie macht sich Sorgen um uns.«
»Nein, das wäre beleidigend«, entgegnete Caine.
Sie konnte es nicht fassen, daß er in einer solchen Situation scherzte. »Selbstverständlich mache ich mir Sorgen. Ihr seid waschechte Amateure. Sogar ein Schwachsinniger würde begreifen, daß wir jetzt keine Zeit für so ein Geschwätz haben. Beeilt euch doch!«
»Sie beleidigt uns tatsächlich«, meinte Lyon gedehnt und begann zu lachen, besann sich aber anders, als sie ihn erbost anstarrte.
Nun gingen die beiden Männer endlich mit dem nötigen Ernst an ihre Aufgabe. Zwei Stunden lang studierten sie die Akten, und Jade störte sie nicht. Aber sie wagte es auch nicht, sich auszuruhen, und lauschte angespannt, um etwaige Eindringlinge sofort zu bemerken.
Schließlich klappte Caine den letzten Aktenordner zu.
»So, wir sind fertig.«
Sie sprang auf, nahm ihm den Ordner aus der Hand und legte ihn in ein Schubfach, an den richtigen Platz. Dabei kehrte sie den Männern den Rücken, und sie brauchte nicht lange, um Caines und Lyons dicke Dossiers herauszunehmen. Dann drehte sie sich um, fest entschlossen, ihren Willen durchzusetzen, falls sie protestierten. Doch das Glück stand auf Jades Seite, denn die beiden Männer waren bereits in den Vorraum gegangen.
»Wollt ihr nicht ihre Taschen durchsuchen?« fragte sie und zeigte auf die zwei Bewußtlosen.
»Das haben wir bereits getan«, erwiderte Caine.
Sie wickelte die Akten in ihren Umhang, blies die Kerzen aus und folgte den Männern nach unten. Da sie allein im Gebäude waren, glaubten Lyon und Caine offenbar, sie müßten nicht leise sein. Abwechselnd murmelten sie Flüche vor sich hin, und der eine erwies sich dabei als ebenso einfallsreich wie der andere.
»Mit euch gehe ich nie wieder einbrechen«, erklärte Jade. »Es würde mich nicht überraschen, wenn uns draußen die Polizei auflauern würde.«
Weder Caine noch Lyon achtete auf Jades Geschimpfe, und bald wurde sie ohnehin zu müde, um ihnen Vorträge zu halten.
Sir Richards stand in der Gasse. »Vier Häuserblocks weiter wartet ein Mietwagen«, verkündete er und eilte ihnen voraus.
An der Straßenecke stolperte Jade. Lyon hob sie hoch und legte sie auf Caines Arme. Sie glaubte, daß er dabei die Akten im zusammengerollten Cape gespürt haben mußte. Offenbar nicht, denn er grinste wortlos, und sie setzten ihren Weg fort.
In der Kutsche schlief sie ein, den Umhang an die Brust gepreßt. Solange Caine bei ihr war, fühlte sie sich sicher. Zum erstenmal seit langer Zeit mußte sie nicht mehr an McKindry denken. Caine würde auf sie aufpassen. Natürlich konnte er niemals ein brauchbarer Dieb werden. Aber er würde verhindern, daß sich die bösen McKindrys an sie heranschlichen.
Als Jade erwachte, lag sie auf Caines Bett, und er versuchte ihr das Cape zu entwinden. »Warten sie unten auf dich?« flüsterte sie gähnend.
»Ja, Süße. Komm, laß dir helfen …«
»Ich kann mich selber ausziehen. Brauchst du mich noch..?«
Sie wollte fragen, ob ihre Anwesenheit in der Bibliothek erforderlich war, aber er unterbrach sie. »Ich brauche dich immer, und ich liebe dich.« Er beugte sich herab und küßte sie. »Schlaf jetzt. Sobald wir fertig sind, kehre ich zu dir zurück.«
»Ich will dich nicht brauchen!« gestand sie mit angstvoller Stimme, und er lächelte fast mitleidig. »Ich weiß, aber du brauchst mich nun mal.« Obwohl sie nicht wußte warum, fand sie seine Worte tröstlich. Und sie bewunderte sein Selbstbewußtsein. Nachdem er aus dem Zimmer gegangen war, seufzte sie laut auf. Sie fühlte sich einfach zu müde, um an die Zukunft zu denken. Würde der Alptraum sie auch in dieser Nacht heimsuchen? Plötzlich erkannte sie, daß ihr nicht mehr so schrecklich davor graute wie früher. Ehe sie einschlummerte, galt ihr letzter Gedanke dem Versprechen, das sie ihrem Mann gegeben hatte. Sie würde nie mehr aufs Meer fahren.
Caine sank erst nach sieben Uhr morgens ins Bett, und Jade öffnete gerade lange genug die Augen, um zu beobachten, wie er sich neben ihr ausstreckte. Er zog sie an seine Brust. Bald verrieten seine gleichmäßigen Atemzüge, daß er schlief.
Gegen Mittag ging sie nach unten und machte sich mit
Weitere Kostenlose Bücher