Die Rache des Marquis
Caine genauso schlau wie die Grizzlys? Eine beklemmende Möglichkeit … »Wenn du mich so anschaust, bekomme ich Angst«, gestand Jade im Flüsterton. »Und ich hasse dein Stirnrunzeln … Sicher bedauerst du, daß du in diese Sache hineingezogen wurdest, und das kann ich dir nicht verübeln.« Jade verlieh ihrer Stimme ein melodramatisches Beben. »Wenn du bei mir bleibst, wirst du nicht mehr lange leben. Ich bringe den Menschen nur Unglück. Laß mich einfach hier im Stall und geh ins Haus. Wenn die Nacht hereinbricht, werde ich nach London zurückkehren – zu Fuß.«
»Soeben hast du mich schwer beleidigt. Habe ich nicht erwähnt, daß ich stets beschütze, was mir gehört?«
»Zufällig gehöre ich dir nicht!« zischte Jade – irritiert, weil ihn ihre theatralischen Worte so wenig beeindruckten. Der Mann wollte wohl versuchen, sie zu trösten, oder? »Du kannst nicht einfach bestimmen, daß ich … Oh, du bist schrecklich besitzergreifend!«
Er nickte. »Ja, von Natur aus. Du wirst mir gehören, Jade.«
Diesmal ignorierte sie diese Feststellung. »Tut mir leid, daß ich dich gekränkt habe.«
Caine zog sie auf die Beine, legte einen Arm um ihre Schultern und führte sie zur Tür.
»Du darfst mich nicht mehr beschützen, Caine«, wisperte sie.
»Und warum nicht. Liebes?«
»Kein Vater sollte zwei Söhne verlieren.«
Ihr Vertrauen in seine Fähigkeiten schien sich in Grenzen zu halten. Aber weil ihre Stimme so unglücklich klang, machte er ihr keine Vorwürfe. »Gewiß nicht. Und dein Bruder soll auch nicht seine einzige Schwester verlieren. Hör jetzt zu. Ich bedaure es nicht, daß ich da hineingezogen wurde, und ich lasse dich nicht im Stich. Ich bin doch dein Beschützer, nicht wahr?«
»Mehr als das – mein Schutzengel.« Ehe er antworten konnte, stellte sie sich auf die Zehenspitzen und küßte ihn. »Das hätte ich besser nicht getan. Normalerweise bin ich ziemlich reserviert. Aber bei dir … Nun ja, ich mag es, wenn du mich im Arm hältst. Seltsam, wie ich mich verändert habe … Findest du mich wollüstig?«
Caine lachte nicht. Sie wirkte so aufrichtig und naiv, und er wollte ihre Gefühle nicht verletzen. »Es freut mich, daß es dir gefällt, wenn ich dich berühre.« Mitten im Hof blieb er stehen. »Ich fasse dich auch gern an.« Er beugte sich hinab, ein langer, sehnsüchtiger Kuß verschloß ihr den Mund. Dann hob er den Kopf und musterte sie forschend. »Als wir durch den Wald ritten und die Schüsse krachten, versuchtest du, mich mit deinem Körper abzuschirmen, nicht wahr?«
»Was?« Jade war so verwundert, daß ihr keine plausible Erklärung für ihr Verhalten einfiel.
»Du versuchtest mich abzuschirmen. Sobald du merktest, woher die Schüsse kamen …«
»Nein, ich tat nichts dergleichen.«
»Und letzte Nacht, kurz nachdem das Wagenrad gebrochen war, warfst du dich gegen mich und schobst mich zur Seite. Damit hast du mir das Leben gerettet.«
»Das lag nicht in meiner Absicht. Ich hatte nur Angst.« Seine Miene verriet, was er dachte, und Jade fügte hastig hinzu: »Das nächste Mal werde ich dir nicht im Weg sein … Bitte, verzeih meine Unvernunft, Caine, aber ich wurde noch nie verfolgt oder beschossen oder … Oh, ich fühle mich gar nicht gut. Mir wird richtig übel …«
Es dauerte eine Weile, bis er auf das plötzlich gewechselte Thema eingehen konnte. »Liegt es an deiner Beule? Du hättest Christina um eine Salbe bitten sollen.«
Sie nickte. »Mein Kopf schmerzt – und mein Magen. Und in der Seite sticht es so merkwürdig.« Während sie auf das Haus zugingen, atmete Jade erleichtert auf. Mit ihrer Klage über diverse Wehwehchen hatte sie Caine auf andere Gedanken gebracht. Sie schaute sich um, und erst jetzt bemerkte sie die schöne Landschaft. Als sie um die Hausecke bogen, blieb sie stehen. Die Zufahrt, von uralten Bäumen gesäumt, schien sich in der Unendlichkeit zu verlieren. Die Zweige überwölbten die Kiesstraße und bildeten einen hübschen Baldachin.
Majestätische weiße Säulen stützten das Vordach des zweistöckigen roten Ziegelhauses, weiße Vorhänge schmückten die hohen Fenster. Das ganze Gebäude wirkte gediegen und gepflegt.
»Du hast mir gar nicht gesagt, daß du so reich bist.« Jades Stimme klang leicht irritiert.
Caine zuckte die Achseln. »Nun ja, ich führe ein recht komfortables Leben.«
»Komfortabel? Dein Heim läßt sich mit dem Carlton House vergleichen.« Plötzlich fühlte sie sich hier so fehl am Platz wie ein Fisch auf dem
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