Die Rache des Marquis
Trockenen. Sie schüttelte Caines Arm von ihren Schultern ab. »Ich mag reiche Männer nicht!«
»Schade«, erwiderte er lachend.
»Warum ist es schade?«
Er nahm ihren Arm und zog sie weiter, aber am Fuß der Eingangstreppe hielt sie erneut inne und starrte zur Ziegelfassade hinauf, als erwartete sie, dort etwas Bedrohliches zu entdecken. »Alles ist in Ordnung, Jade«, versicherte er. »Du brauchst dich nicht zu fürchten.«
Empört musterte sie ihn, so daß der Eindruck entstand, als hätte er soeben ihre Familie diffamiert. »Ich fürchte mich nicht!« protestierte sie hochnäsig. Der Widerspruch war instinktiv erfolgt, aber sie erkannte sofort ihren Fehler. Verdammt, sie mußte doch Angst heucheln. Caine beobachtete sie mit ausdruckslosem Blick, und sie unterdrückte einen Seufzer. Nie wäre mir dieser Ausrutscher passiert, wenn ich mich nicht in so jämmerlicher Verfassung befände, dachte Sie. O Gott, alles tut mir weh.
»Wenn du behauptest, ich würde mich fürchten, beleidigst du dich selbst«, erklärte sie.
»Was?«
»Würde ich mich immer noch fürchten, hieße das doch, daß ich dir nicht vertraue. Außerdem«, fuhr sie lächelnd fort, »habe ich bereits elf bewaffnete Männer gezählt. Da sie nicht auf uns schießen, nehme ich an, sie gehören zu deinen Angestellten. Und nachdem du so wunderbare Vorsichtsmaßnahmen getroffen hast, bin ich restlos beruhigt.« Ihr Lächeln vertiefte sich, als sie zu erraten glaubte, daß er sie nun wieder für dumm halten würde. Dann stolperte sie. Das war kein Ablenkungsmanöver. Hätte Caine sie nicht gestützt, wäre sie tatsächlich hingefallen. »Meine Knie sind ganz weich«, jammerte sie. »Ich bin nicht ans Reiten gewöhnt. Laß meine Taille los, Caine, da habe ich Schmerzen.«
»Wo denn genau, Liebes?« Die Frage klang belustigt, aber auch zärtlich.
»Ich bin eine Frau – erinnerst du dich? Und du sagst doch, alle Frauen seien schwach. Ist das der Grund, warum du mich jetzt so selbstgefällig angrinst? Weil ich deine unverschämte Meinung soeben bestätigt habe?«
»Wenn du mich ansiehst, vergesse ich, wie sehr du einem auf die Nerven gehen kannst. Deine Augen leuchten wie grünes Feuer.«
Sie wußte, daß er sie in Verlegenheit zu bringen suchte. Das merkte sie an seinen zuckenden Mundwinkeln. Als er ihre Stirn küßte, mußte sie sich sehr zusammennehmen, um nicht wohlig zu stöhnen. Jetzt achtete sie nicht mehr auf ihre Schmerzen.
Die Haustür öffnete sich, ein hochgewachsener älterer Mann stand auf der Schwelle. Er glich einem Wasserspeier, aber Jade hielt ihn für Caines Butler. Bis auf die weiße Krawatte war er ganz in Schwarz gekleidet, und seine strenge Haltung paßte zu diesem förmlichen Aufzug. Er sah aus, als hätte man ihn in Stärke getaucht und dann zum Trocknen aufrecht hingestellt.
»Sterns, mein Butler«, stellte Caine ihn vor. »Laßt dir keine Angst von ihm einjagen, Jade«, fügte er hinzu, nachdem sie einen Schritt näher an ihn heran getreten war. »Wenn ihn eine gewisse Stimmung überkommt, kann er so einschüchternd wirken wie eine königliche Hoheit.« Caines freundschaftliches Lächeln ließ erkennen, daß er sich kein bißchen eingeschüchtert fühlte.
»Falls er dich in sein Herz schließt, woran ich nicht zweifle, wird er dich unter Einsatz seines Lebens verteidigen. Er ist überaus loyal.«
Würdevoll stieg der Butler die Stufen herab und machte eine steife Verbeugung vor seinem Arbeitgeber. Jade entdeckte silberne Strähnen an seinen Schläfen und schätzte ihn auf Mitte Fünfzig. Das ergrauende Haar und das äußerst häßliche Gesicht erinnerten sie lebhaft an Onkel Harry, und sie begann, ihn zu mögen.
»Guten Tag, Mylord«, grüßte Sterns und musterte Jade. »Ist Ihre Jagd erfolgreich verlaufen?«
»Ich war nicht auf die Jagd«, entgegnete Caine.
»Also wurden die Pistolenschüsse, die ich vernahm, nur zum Vergnügen abgefeuert?« Bei dieser Frage nahm sich der Diener nicht die Mühe, seinen Herrn anzusehen. Statt dessen fuhr er fort, Jade zu betrachten.
Caine grinste. Das Benehmen seines Butlers amüsierte ihn immer wieder. So leicht ließ sich der Mann nicht aus der Fassung bringen, aber jetzt war es geschehen. Und wie der Marquis wußte, mußte Sterns mit sich kämpfen, um Haltung zu bewahren. »Ich war hinter Männern her, nicht hinter Jagdwild.«
»Und haben Sie Ihr Ziel erreicht?« fragte der Butler in einem Ton, der keinerlei Interesse bekundete.
»Nein.« Caine seufzte angesichts der
Weitere Kostenlose Bücher