Die Rache des Marquis
mangelnden Aufmerksamkeit des Mannes, konnte ihm aber nicht verübeln, daß er völlig in Jades Bann geraten war. Ihm selbst war es so ähnlich ergangen. »Sie ist schön, nicht wahr, Sterns?«
Abrupt nickte der Butler und zwang sich, das Gesicht seinem Herrn zuzuwenden. »In der Tat, Mylord. Ihr Charakter muß allerdings erst beurteilt werden«, setzte er hinzu und verschränkte die Hände hinter dem kerzengeraden Rücken.
»Oh, Sie werden ihren Charakter genauso erfreulich finden wie ihre äußere Erscheinung.«
»Sie haben nie zuvor eine Dame hierhergebracht.«
»Nein.«
»Ist sie Ihr Gast?«
»O ja.«
»Messe ich diesem Umstand vielleicht eine größere Bedeutung bei, als ich sollte?«
»Keineswegs, Sterns.«
Der Butler hob eine Braue, dann nickte er … »Soll ich ein Gästezimmer herrichten lassen, oder wird die Lady in Ihrer Suite wohnen, Mylord?«
Diese unverschämte Frage wurde ganz beiläufig gestellt, und Jade ärgerte sich zunächst einmal über die Art und Weise, in der die beiden von ihr redeten, – so als wäre sie nicht vorhanden. Deshalb dauerte es eine Weile, bis sie die Beleidigung erkannt hatte. Sie machte einen Schritt auf den Butler zu. »Diese Lady will ihr eigenes Zimmer haben, guter Mann. Mit einem massiven Türschloß. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«
Sterns richtete sich zu seiner vollen Größe auf. »Ich verstehe sehr gut, Mylady.« Seine Stimme klang sehr förmlich, aber seine braunen Augen funkelten – ein Blick, der bisher nur Caine zuteil geworden war. »Und ich werde das Türschloß persönlich überprüfen«, fügte er hinzu, wobei er seinen Herrn bedeutsam ansah.
»Vielen Dank, Sterns«, erwiderte Jade. »Einige Feinde sind hinter mir her. Und ich fände keine Ruhe, wenn ich mich auch noch wegen gewisser Gentlemen sorgen müßte, die nachts in mein Zimmer schleichen könnten, um mir das Nachthemd wieder anzuziehen. Das begreifen Sie doch?«
»Jade, fang nicht wieder an …«, begann Caine.
»Er wollte mich zu seiner Mama und seinem Papa bringen, aber das konnte ich nicht zulassen, Sterns«, fuhr sie fort und ignorierte Caines unhöfliche Unterbrechung.
»Seine lieben Eltern sollen keinesfalls in diese leidige Angelegenheit hineingezogen werden. Wenn man gejagt wird wie ein tollwütiger Hund, hat man einfach keine Zeit, um an seinen guten Ruf zu denken, nicht wahr?«
Sterns blinzelte ein paarmal, und weil sie ihn so bezaubernd und erwartungsvoll anschaute, nickte er.
Donner grollte in der Feme, und Caine meinte: »Wenn wir noch lange hier draußen herumstehen, werden wir klitschnaß. Sterns, Parks soll den Arzt holen, ehe das Gewitter losbricht.«
»Ist das wirklich nötig, Caine?« fragte Jade.
»Allerdings.«
»Sind Sie krank, Mylord?« erkundigte sich der Butler sichtlich bestürzt.
»Nein, Winters muß nach Jade sehen. Sie hat ein Mißgeschick erlitten.«
»Ein Mißgeschick?« Sterns wandte sich wieder zu Jade.
»Er hat mich in die Themse geworfen«, erklärte sie und nickte erfreut, als der Diener interessiert die Brauen hochzog.
»Dieses Mißgeschick meine ich nicht«, murmelte Caine. »Sie hat eine böse Beule am Kopf, und deshalb wird ihr manchmal schwindlig.«
»Ach, die tut längst nicht so weh wie dieser Stich in der Seite«, bemerkte Jade. »Ich will nicht, daß dein Arzt an mir herumfingert.«
»Das muß er, aber es wird in allen Ehren geschehen.«
»Leider kann ich Winters nicht rufen lassen«, wandte Sterns ein, »denn er ist verschwunden.«
»Verschwunden?« rief Caine erstaunt.
»Schon über einen Monat. Soll ich nach einem anderen Arzt schicken? Ihre Mutter wandte sich an Sir Harwick, als Winters unauffindbar blieb, und wie ich höre, ist sie sehr zufrieden mit seinen Diensten.«
»Und wen mußte Sir Harwick behandeln?«
»Ihren Vater, Mylord, der allerdings heftig protestierte. Sein Gewichtsverlust bereitet Ihrer Mutter und ihren Schwestern große Sorge.«
»Er trauert um Colin«, erwiderte Caine tonlos. »Hoffentlich überwindet er seinen Kummer bald. Also gut, Parks soll Harwick holen.«
»Nein«, widersprach Jade, und Caine verdrehte ungeduldig die Augen.
»Mach jetzt keinen Ärger!«
»Mylady, was ist Ihnen bei diesem Mißgeschick zugestoßen?« fragte Sterns. »Erhielten Sie vielleicht einen Schlag auf den Kopf?«
»Nein.« Schüchtern senkte sie den Blick. »Ich bin gestürzt. Bitte, regen Sie sich meinetwegen nicht auf, Sterns. Es ist nur eine ganz kleine Beule. Möchten Sie sie sehen?« Sie hob ihr Haar an der
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