Die Rache des Marquis
Schläfe hoch. Bei dieser Bewegung verstärkte sich der Schmerz in ihrer Seite, und sie zuckte unwillkürlich zusammen.
Mitfühlend betrachtete der Butler ihr Gesicht und verwandelte sich dann in eine Zofe. Er bekundete wortreich sein Mitleid, nahm Jades Arm und geleitete sie die Treppe hinauf. Caine schaute den beiden nach. »Wir müssen Sie sofort zu Bett bringen, Mylady«, entschied Sterns. »Wieso sind Sie denn gestürzt, wenn ich mir diese kühne Frage erlauben darf?«
»Ich verlor das Gleichgewicht und fiel eine Treppe hinunter. Das war sehr ungeschickt von mir.«
»Oh, Sie sind gewiß nicht ungeschickt«, beteuerte Sterns hastig.
»Wie freundlich, daß Sie das sagen! Wissen Sie, mein Kopf schmerzt bei weitem nicht so stark wie meine Seite. Natürlich will ich Sie nicht beunruhigen, Sterns, und Sie sollen auch nicht glauben, ich würde immer nur jammern. Das hat Caine nämlich behauptet …«
Caine folgte ihnen und packte Jades Schulter. »Laß mich mal nachsehen. Zieh deine Jacke aus.«
»Nein«, wehrte Jade ab, während der Butler sie in die Halle führte.
»Du würdest nur an mir herumfingern.«
Eine Reihe von Dienstboten standen bereit, um den Hausherrn zu begrüßen. Jade eilte mit Sterns an ihnen vorbei.
»Hoffentlich liegt mein Zimmer an der Vorderfont, dann hätte ich eine wunderbare Aussicht auf die Zufahrt und den Wald.«
Ihre Stimme klang so fröhlich, daß Caine den Eindruck gewann, daß sie hinsichtlich ihrer Schmerzen übertrieben haben mußte.
»Sterns, führen Sie Jade nach oben. Ich kümmere mich inzwischen um einige Angelegenheilen.« Ohne eine Antwort abzuwarten, verließ er das Haus.
»Parks soll den Arzt holen!« rief Sterns vom Treppenabsatz herunter, dann wandte er sich zu Jade. »Streiten Sie nicht mit mir, Mylady, Sie sehen schrecklich blaß aus. Und Ihre Finger fühlen sich wie Eis an.«
Rasch entzog sie ihm ihre Hand. Erst jetzt merkte sie, daß sie sich beim Treppensteigen an ihn geklammert hatte. Aber ihm war es natürlich aufgefallen. Die Ärmste schien völlig erschöpft zu sein. Sie zitterte sogar.
»Bald geht die Sonne unter. Sie werden im Bett zu Abend essen, Mylady. Hat Mylord Sie wirklich in die Themse geworfen?« fragte er hastig, als er glaubte, sie würde gegen seine Beschlüsse protestieren.
»O ja«, bestätigte sie lächelnd. »Und dafür muß er sich erst noch entschuldigen. Meinen Ranzen hat er auch weggeworfen. Nun bin ich völlig verarmt. Lady Christina gab mir ein paar von ihren schönen Kleidern, und dafür danke ich Gott.«
»Ihre mißliche Lage scheint Sie nicht sonderlich zu betrüben«, meinte Sterns und öffnete ihr eine Tür.
»Ich finde es sinnlos, Trübsal zu blasen. O, Sterns, welch ein hübsches Schlafzimmer! Goldgelb ist meine Lieblingsfarbe. Ist die Tagesdecke aus Seide?«
»Aus Satin«, entgegnete Sterns erfreut über Jades Begeisterung. »Darf ich Ihnen aus der Jacke helfen, Mylady?«
Sie nickte. »Würden Sie zuerst das Fenster aufmachen? Es ist ein bißchen stickig hier drin.« Er gehorchte, und sie schaute nach draußen, um die Entfernung zu den schützenden Bäumen abzuschätzen. Wenn die Dunkelheit hereinbrach, würden Matthew und Jimbo auf ihr Zeichen warten und die Fenster nach einer brennenden Kerze absuchen. Mit diesem zuvor vereinbarten Signal wollte sie ihnen bedeuten, alles sei in Ordnung. Der Butler zog ihr die Jacke aus. »Ich werde sie reinigen lassen, Mylady.«
»Ja, bitte. Ich glaube, an der Seite ist ein kleiner Riß. Könnte man ihn flicken?« Als er nicht antwortete, wandte sie sich zu ihm. »Ist Ihnen übel? Sie sind plötzlich ganz grün im Gesicht, Sterns. Ich will Sie nicht beleidigen – aber Sie sollten sich setzen, sonst fallen Sie womöglich in Ohnmacht.«
Er schüttelte den Kopf. Erst als sie ihn zu einem Sessel am Fenster führte, fand er seine Stimme wieder und rief lauthals nach seinem Herrn.
Caine stieg gerade die Stufen herauf, als er das Gebrüll hörte. »Was hat sie jetzt schon wieder angestellt?« murmelte er, eilte den Flur entlang und zur Schlafzimmertür. Dort bot sich ihm ein erstaunlicher Anblick. Sterns versuchte sich aus dem Ohrensessel zu heben, während Jade mit einer Hand seine Schulter festhielt und mit der anderen ein dünnes Buch schwenkte, um ihm Kühlung zuzufächeln. »Was um Himmels willen … Sterns, sind Sie krank?«
»Er hat die Besinnung verloren, Caine. Hilf mir, ihn aufs Bett zu legen.«
»Mylord, ihre Seite … Hören Sie doch auf, mit diesem Buch vor meinem
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