Die Rache des Marquis
Dabei versuchte sie, sich Christinas Lächeln und Lyons Stirnrunzeln einzuprägen, denn sie war überzeugt, daß sie die beiden nie wiedersehen würde.
Mehrmals hatte Christina die Macht des Schicksals erwähnt. Sie glaubte, Jade und Caine würden ihr Leben von nun an zusammen verbringen. Aber Christina verstand die Situation nicht. Und wenn sie die Wahrheit erfahren würde, würde sie ihrer Freundin gewiß den Rücken kehren.
Diese Gedanken waren zu schmerzlich. Jade zwang sich, nur noch an ihre Aufgabe zu denken – nämlich, Caine zu beschützen, bis Nathan zurückkam. Schon vor Jahren war ihr Schicksal entschieden worden.
»Du mußt dichter hinter mir reiten!« befahl Caine über die Schulter, und sie lenkte ihr Pferd sofort zu ihm.
Um etwaige Verfolger abzuschütteln, führte er Jade auf Umwegen aus London heraus. Erst eine Stunde, nachdem sie die Stadt verlassen hatten, wandte er sich nach Norden. Normalerweise hätte der Ritt drei Stunden gedauert. Doch wegen der Vorsichtsmaßnahmen, die Caine ergriffen hatte, zog sich die Reise erheblich in die Länge.
Als sie die Hauptstraße erreichten, erkannte Jade die Umgebung wieder. »Ein Stück weiter vorn müßten wir die Reste von Nathans Kutsche finden, falls sie nicht entfernt wurde!«
Nach einer halben Stunde waren sie noch immer nicht auf das zerstörte Vehikel gestoßen. Doch dann entdeckten sie den Wagen hinter einer scharfen Biegung am Rand einer schmalen Schlucht. Caine schwieg und ritt mit grimmiger Miene an dem Wrack vorbei.
»Nun?« fragte Jade.
»Die Kutsche ist tatsächlich ausgebrannt.«
Seine Stimme klang zornig, und Jade fürchtete, er würde ihr die Schuld an dem vernichtenden Feuer geben.
»Ist das alles, was du zu sagen hast?« Sie lenkte ihr Pferd näher an seines heran, um ihm ins Gesicht zu schauen. »Du hast mir nicht geglaubt. Und deshalb bist du nun böse.«
»Jetzt glaube ich dir.«
»Und?« fragte sie, weil sie ihn zu einer Entschuldigung veranlassen wollte.
»Und was?«
»Hast du nichts hinzuzufügen?«
»Ich könnte hinzufügen, daß ich diese Verbrecher umbringen werde, sobald ich sie gefunden habe«, entgegnete er in gefährlich leisem Ton. »Und wenn sie tot sind, werde ich die Leichen vermutlich anzünden. Das könnte ich hinzufügen. Aber es würde dich aufregen, nicht wahr, Jade?«
Offensichtlich meinte er es ernst, und sie erschauerte.
»Das würde mich allerdings aufregen. Du kannst nicht herumlaufen und Leute töten, ganz egal, wie wütend du auf sie bist.«
Abrupt zügelte er sein Pferd neben ihrem und umfaßte ihren Nacken. Vor lauter Verblüffung wehrte sie sich nicht. »Ich beschütze immer, was mir gehört«, erklärte er.
Sie wagte nicht zu widersprechen, aus Angst, er könne sie sonst erwürgen. Und so starrte sie ihn nur an.
»Verstehst du?« stieß er hervor.
»Ja. Du willst beschützen, was dir gehört. Das verstehe ich.«
Caine schüttelte den Kopf. Das kleine Unschuldslamm versuchte tatsächlich, ihn zu besänftigen. Plötzlich beugte er sich zu ihr und küßte sie – fordernd und besitzergreifend. Ihre Verwirrung wuchs. Er richtete sich auf und schaute ihr tief in die Augen. »Allmählich solltest du zur Kenntnis nehmen, daß du mir gehören wirst.«
»Ich gehöre niemandem.«
Er sah so aus, als wolle er sie erbost zurechtweisen. Doch dann wurden seine Gesichtszüge etwas weicher, und er wechselte das Thema. »Wir müssen die Hauptstraße verlassen.«
»Caine, begreif doch bitte …«
»Streite nicht mit mir.«
Ehe sie weiterritten, zog er Jade in seinen Sattel herüber.
»Warum tust du das?« fragte sie erstaunt.
»Weil du müde bist.«
»Das hast du gemerkt?«
Zum erstenmal seit langer Zeit lächelte er. »O ja.«
»Ich bin wirklich müde«, gestand sie. »Wird Lyons Stute uns folgen? Er wäre sicher sehr ungehalten, wenn wir sie verlieren würden.«
»Sie wird uns folgen.«
»Gut.« Lächelnd kuschelte sie sich an ihn, schlang einen Arm um seine Taille und legte ihre Wange an seine Brust. »Du riechst so angenehm.«
»Du auch.«
Jade spürte seine innere Unruhe. Er wählte einen mühsamen Weg durch den Wald, und nach einer Weile fragte sie: »Warum mußt du unsere Reise dermaßen komplizieren?«
Bevor er antwortete, schob er einen tiefhängenden Zweig beiseite. »Wir werden verfolgt.«
Diese beiläufige Erklärung raubte ihr nur für wenige Sekunden die Sprache. »Unsinn!« rief sie ärgerlich. »Das wäre mir aufgefallen.«
Sie versuchte sich hochzurecken, um über seine
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