Die Rache des Marquis
Gesicht herumzufuchteln, Mylady! Mylord, schauen Sie sich ihre Seite an!«
Caine begriff schneller als Jade, worauf der Butler hinauswollte, und lief zu ihr. Als er den großen Blutfleck in der weißen Seidenbluse entdeckte, hätte er sich am liebsten hingesetzt. »O Gott«, flüsterte er. »Was ist mit dir geschehen, meine Süße?«
Sie schaute an sich herab, schnappte nach Luft und schwankte. Rasch hielt er sie fest. »Wußtest du nicht, daß du blutest?«
»Nein. Ich dachte, ein Zweig hätte mich gekratzt.«
Sterns tauchte an ihrer anderen Seite auf. »Sie hat ziemlich viel Blut verloren, Mylord.«
»Offensichtlich.« Caine bemühte sich, sein Entsetzen zu verbergen und Jade nicht noch mehr zu erschrecken. Aber seine Hände zitterten, als er den Seidenstoff behutsam von der Wunde wegzog, und das entging ihr nicht.
»Ist es sehr schlimm?« wisperte sie.
»Schau nicht hin. Tut’s weh?«
»Seit ich das Blut gesehen habe, brennt es wie die Hölle.«
Sie entdeckte einen Riß in der Seide und klagte: »Diese Schurken haben auch noch die hübsche Bluse meiner Freundin ruiniert. Der Stoff wurde durchschossen. Schau dir das Loch an, Caine! So groß wie eine …«
»Eine Pistolenkugel?« fragte Sterns.
Caine hatte ihr die Bluse ausgezogen und bearbeitete nun das Unterhemd mit seinem Messer.
»Ich glaube, sie fängt an zu phantasieren«, flüsterte der Butler. »Wir sollten sie aufs Bett legen, bevor sie umkippt.«
»Ich kippe nicht um, Sterns«, protestierte Jade. »Für diese Beleidigung sollten Sie sich entschuldigen. Caine, laß mich bitte los. Es ist unanständig, meine Kleider aufzuschneiden. Ich kann mich selber um diese Wunde kümmern.«
So schnell wie möglich wollte sie die beiden Männer loswerden. Seit sie die Verletzung bemerkt hatte, befand sich ihr Magen in wildem Aufruhr. Ihr schwindelte, die Knie drohten einzuknicken.
»Nun, Sterns? Entschuldigen Sie sich oder nicht?« Ehe er antworten konnte, hauchte Jade: »Verdammt, jetzt falle ich doch noch um.«
8
Jade fuhr im Schlaf hoch. Zu ihrer Überraschung lag sie im Bett. Sie hatte keine Ahnung, wie sie hineingelangt war. Und dann erkannte sie die Wahrheit. Sie mußte tatsächlich in Ohnmacht gesunken sein. Während sie sich mit dieser demütigenden Gewißheit abzufinden versuchte, spürte sie die Brise, die zum Fenster hereinwehte und die ihre nackte Haut kühlte.
Sie öffnete die Augen, und da sah sie Sterns neben dem Bett stehen. Auf der anderen Seite beugte sich Caine über sie. Die beiden gefurchten Stirnen genügten beinahe, um ihr erneut das Bewußtsein zu rauben.
»Der Schuß ist glatt durchgegangen«, erklärte Caine.
»Gott sei Dank«, wisperte Sterns.
»Welcher von euch zwei Schuften hat mich ausgezogen, als ich gerade nicht hinschaute?« fragte Jade eisig.
Der Butler zuckte zusammen, aber Caine grinste nur.
»Fühlen Sie sich jetzt besser, Mylady?« fragte der Butler, nachdem er sich wieder gefaßt hatte.
»Ja, danke. Warum halten Sie meine Hand, Sterns?«
»Damit Sie still liegenbleiben, Mylady.«
»Jetzt können Sie mich loslassen. Ich werde Caines Arbeit nicht behindern.« Nachdem er gehorcht hatte, versuchte sie sofort, die Hände des Marquis wegzuschieben.
»Du fingerst an mir herum.«
»Ich bin fast fertig, Jade.« Seine Stimme klang sehr entschieden, aber er ging unglaublich sanft mit ihr um. Dieser Widerspruch verblüffte sie.
»Bist du mir böse, Caine?«
»Nein.« Bei dieser knappen Antwort sah er nicht einmal auf.
»Du könntest in etwas überzeugenderem Ton sprechen. Sicher bist du böse. Ich verstehe nicht warum …« Plötzlich stockte ihr der Atem.
»Sitzt der Verband zu fest?« fragte Caine bestürzt.
»Du – du denkst, alles sei meine Schuld«, stammelte sie, »und ich hätte absichtlich …«
»O nein, Mylady«, fiel Sterns ihr ins Wort, »der Marquis macht Ihnen keine Vorwürfe. Sicher wollten Sie sich nicht anschießen lassen. Aber Mylord ist oft ein bißchen …«
»Griesgrämig?«
Der Butler nickte. »Vor allem, wenn er sich sorgt.«
»Tut mir leid, daß ich dir Unannehmlichkeiten bereitet habe, Caine. Sorgst du dich immer noch?«
»Nein.«
»Dann ist die Verletzung nicht so schlimm, wie sie aussieht?«
»Nur eine Fleischwunde.« Caine untersuchte noch einmal den Verband, bevor er ihr seine volle Aufmerksamkeit schenkte. »Bald bist du wieder auf den Beinen.«
Das schien er ernst zu meinen, und sie seufzte erleichtert auf.
»Sterns, decken Sie meine Beine zu, aber schauen Sie dabei
Weitere Kostenlose Bücher