Die Rache des Marquis
So ist es doch, Sterns?«
»Gewiß, Mylady«, brüllte der Butler und schnitt eine Grimasse, als das Geräusch von klirrendem Glas die Luft erzittern ließ. »Mein Herr vertritt einen sehr entschiedenen Standpunkt, was dieses Thema betrifft.«
»Ja, einen äußerst entschiedenen Standpunkt«, stimmte Jade zu und senkte niedergeschlagen den Kopf, als der Herzog und seine Frau sie entgeistert anstarrten. »Würden Sie die Güte haben, sich nach oben zu begeben?«
»Wie bitte?« hauchte die Herzogin.
»Würden Sie die Güte haben, sich nach oben zu begeben?« wiederholte Jade.
»Wir sollen nach oben gehen?«
»Ja. Dort werden Sie von jemandem erwartet. Ich vermute, im zweiten Zimmer rechts, aber ich bin mir nicht sicher.« Die letzten Worte mußte sie wieder schreien, weil der Lärm ohrenbetäubende Dimensionen annahm.
Inzwischen hatte sich der Herzog von seiner Verblüffung erholt. »Gott segne Sie, meine Liebe.« Lächelnd umklammerte er Jades Hände. »Es ist so schön, Sie wiederzusehen. Zweifellos haben Sie die Wahrheit gesagt …« Abrupt verstummte er, als er den konsternierten Blick seiner Frau bemerkte. »Komm, Gweneth, du hast doch gehört – Jade möchte, daß wir nach oben gehen.«
»Du kennst diese Frau, Henry?«
»O Gott, habe ich mich jetzt verraten?« Bestürzt wandte er sich wieder zu Jade, die beschwichtigend abwinkte.
»Ich habe Caine bereits von meiner Zusammenkunft mit Ihnen erzählt.«
Er atmete erleichtert auf. »Heute morgen lernte ich diese junge Lady kennen, Gweneth.« Vergeblich versuchte er, seine Frau zur Treppe zu zerren.
»Wo? Ich verlange eine sofortige Erklärung, Henry.«
»Sie kam zu mir in die Bibliothek, während du noch schliefst. Komm jetzt, Liebes. Du wirst alles verstehen, wenn …«
»Henry! Sie hat rotes Haar!«
»Ja, in der Tat«, bestätigte er und schob sie mit sanfter Gewalt zu den Stufen.
Gweneth begann zu lachen. »Und grüne Augen!« schrie sie, um den Krach zu übertönen. »Die sind mir sofort aufgefallen.«
»Was für eine ausgezeichnete Beobachtungsgabe du hast, mein Schatz …«
Jade starrte Caines Eltern nach, bis sie den Oberstock erreicht hatten. »Jetzt ist wirklich der Teufel los, Sterns.«
Der Butler nickte. »Ich glaube, das ist eine äußerst präzise Einschätzung der Lage, Mylady. Aber bemerken Sie die plötzliche segensreiche Stille?«
»Ja. Die beiden haben sich umgebracht.«
»Mein Herr würde Ihren Bruder niemals töten. Nun werde ich den Gentlemen wohl eine Karaffe Brandy kredenzen. Mittlerweile müssen sie durstig sein.«
»Nicht durstig, Sterns. Tot.«
»Man sollte immer optimistisch bleiben, Mylady.«
»Das bin ich ja«, murmelte Jade. »Holen Sie den Brandy, ich bewache inzwischen die Tür.«
»Ich verlasse mich auf Sie, Lady Jade.«
Jetzt wollte sie nicht mehr in den Salon gehen. Sie war wütend auf Caine und ihren Bruder, und sie schämte sich in Grund und Boden, weil der Herzog und die Herzogin von Williamshire ausgerechnet auf dem Höhepunkt der lautstarken Auseinandersetzung eingetroffen waren. Am liebsten hätte sie geweint.
Aber warum kümmerte es sie denn, was Caines Eltern von ihr hielten? Bald würde sie dieses Haus verlassen. Sie wäre gern nach oben gegangen, um zu packen, doch Nie wollte es nicht riskieren, der Herzogin noch einmal zu begegnen.
Als Sterns mit der Kristallkaraffe und zwei Gläsern zurückkehrte, öffnete sie ihm die Salontür. Beim Anblick der Verwüstung zuckten sie beide zusammen. Jade bezweifelte, daß auch nur ein einziges Stück der schönen Möbel unversehrt geblieben war.
Sterns entdeckte die beiden Männer noch vor ihr. Und seine Überraschung ließ auch schneller nach als ihre. Er straffte die Schultern und schritt zu der Stelle, an der Caine und Nathan am Boden nebeneinandersaßen, an die Wand gelehnt.
Jade stolperte dem Butler nach und preßte eine Hand auf den Mund, als sie die beiden Kämpfer musterte. Keiner sah wie ein Sieger aus. Aus einer Rißwunde an Caines rechter Schläfe sickerte Blut auf die Wange herab, doch das schien ihn nicht zu stören. Er grinste wie ein tückischer Kobold.
Nathan war gleichermaßen lädiert. Er drückte ein Taschentuch an einen blutenden Mundwinkel, und Jade wollte verdammt sein, wenn er nicht genauso albern grinste. Die Umgebung seines linken Auges begann anzuschwellen.
Nachdem Jade festgestellt hatte, daß weder Caine noch ihr Bruder mit einem Fuß im Grab standen, fing sie erst vor Erleichterung und dann vor Zorn zu zittern an.
»Haben
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