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Die Rache des Samurai

Die Rache des Samurai

Titel: Die Rache des Samurai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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da, das eingewickelte Schwert auf den Handflächen. Hier war er endlich: Der greifbare Beweis, den er gesucht hatte. Furcht und gespannte Erwartung hielten ihn noch für einen Moment davon ab, die getränkte Seide aufzuwickeln. Zu welchem Verdächtigen würde das Schwert ihn führen? Schließlich konnte er die Spannung nicht mehr ertragen und entfernte die Umwicklung.
    Die dünne, gebogene Klinge des Kurzschwertes war mit getrocknetem Blut bedeckt; Frau Shimizu hatte die Waffe nicht gesäubert. Nach einer ersten flüchtigen Untersuchung spürte Sano einen Anflug von Enttäuschung. Der Griff war modern und wies keine Besonderheiten auf. Er war mit schwarzer Seide umwickelt, in einem Kreuzmuster aus sich überlappenden Windungen; in den regelmäßigen, kleinen diamantförmigen Lücken im Muster befanden sich goldene Einlegearbeiten. Doch weder am Griffstück noch an der Klinge war ein Wappen oder ein sonstiges Kennzeichen zu sehen. Dann aber entdeckte Sano etwas auf dem flachen Stichblatt zwischen Klinge und Handgriff.
    Es war aus schwarzem Gußeisen und wie der obere Teil eines menschlichen Totenschädels geformt. Die Klinge führte durch die vertikale Nasenöffnung; zwei kleinere Löcher zu beiden Seiten bildeten die leeren Augenhöhlen. Der Kiefer war mit fünf Zähnen aus Gold verziert. Die symbolische Wiedergabe des Todes durch den Waffenschmied war eine kunstvolle Arbeit von grotesker, schrecklicher Schönheit – und sie kam Sano irgendwie bekannt vor. Sein Herz tat einen Sprung, als er sich plötzlich an die verblaßten Schriftzeichen auf der zerbröckelnden Schriftrolle in den Archiven erinnerte:

    Der große General Fujiwara schwang seine zwei Schwerter, auf deren Stichblättern die Abbilder von Totenschädeln grinsten; er mähte die Soldaten Endōs nieder und zog eine blutige Schneise durch die Reihen des Gegners …

    Sano packte den Schwertgriff mit der einen, die tuchumwickelte Klinge mit der anderen Hand, und zwängte beides auseinander. Und dann, am Griffzapfen der Klinge, sah er die winzigen eingravierten Schriftzeichen, die bestätigten, daß dieses Schwert einst General Fujiwara gehört hatte. Eine der Waffen aus seinem Paar Samuraischwerter, die beide die gleiche Verzierung aufwiesen. Jenes Schwert, das er beim Kampf gegen die Klans der Araki und Endō benützt hatte – und das in seiner Familie über Generationen hinweg weitergegeben worden war, bis es in die Hände seines wertvollsten Nachkommens gelangte: des bundori -Mörders.
    Blitzschnell ging Sano durch den Kopf, welche Möglichkeiten sich ihm nun eröffneten. Vielleicht konnte er Zeugen finden, die bestätigten, in wessen Besitz diese einzigartige Waffe gewesen war. Dieser Beweis – in Verbindung mit der unterschriebenen Aussage Frau Shimizus – würde ausreichen, um Matsui oder Chūgo vor dem Gericht des Magistraten zu verurteilen. Doch die erforderlichen Nachforschungen würden vermutlich länger dauern als die zwei Tage, die Sano noch blieben. Und was, wenn Kammerherr Yanagisawa der Mörder war? Bei ihm war die Wahrscheinlichkeit am größten, daß er das Schwert von General Fujiwaras ältestem Sohn bekommen hatte.
    Falls der Shōgun oder der bakufu nicht davon überzeugt waren, daß es sich bei Yanagisawa um den bundori- Mörder handelte, würde der Kammerherr niemals vor Gericht gestellt. Sano hingegen würde man als Verräter hinrichten, der sich gegen den Kammerherrn verschworen hatte. Dann kam Yanagisawa ungeschoren davon, konnte weiterhin töten und bestechen und intrigieren, während Sano keinen Ruhm, sondern ewige Schande über seine Familie brachte und die Möglichkeit verspielte, den bösen Geist zu vernichten.
    Plötzlich kam Sano ein faszinierender Gedanke, wie er vielleicht doch noch einen Ausweg finden konnte. Der Mörder, wer es auch sein mochte, würde das kostbare und belastende Schwert seines Ahnherrn zurückhaben wollen – Chūgo und Matsui, um der Strafe zu entgehen; Yanagisawa, um einen Skandal und Schwierigkeiten zu vermeiden. Der Mörder wußte offenbar, wer ihn gesehen hatte – Frau Shimizu –, und befürchtete anscheinend, daß sie ihn verraten könnte. Sano sah eine Möglichkeit, sich dieses Wissen zunutze zu machen.
    »Ihr müßt mir einen Gefallen tun«, sagte er zu Frau Shimizu, während er das Schwert wieder einwickelte.
    Ihr Doppelkinn bebte, und sie blickte Sano ängstlich an. »Habe ich Euch nicht schon genug geholfen? Weshalb sollte ich Euch einen Gefallen tun?«
    »Weil ich anderenfalls von Eurer

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