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Die Rache des Samurai

Die Rache des Samurai

Titel: Die Rache des Samurai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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gemacht hatte, war Sano eine Idee gekommen. Die Anlegestelle befand sich fast in der Mitte Edos und war somit für alle drei Verdächtigen recht bequem zu erreichen; zugleich aber war die Stelle ziemlich abgeschieden, so daß kaum die Gefahr bestand, daß Unbeteiligte sich einmischten. Das Boot selbst – mit seiner kleinen Kajüte und den eingeschränkten Zugangs- und Fluchtmöglichkeiten – würde es Sano ermöglichen, Chūgo oder Matsui zu fassen, oder Yanagisawa zu töten und anschließend seppuku zu begehen. Sano hatte Frau Shimizu überredet, ihm das Boot als Falle zur Verfügung zu stellen; denn falls der bundori -Mörder tatsächlich nach ihr suchte, würde er bereitwillig hierherkommen, um sie zu treffen. Jetzt erkannte Sano, daß er eine gute Wahl getroffen hatte.
    Das Boot war aus Kiefernholz und etwa fünfzig Schritt lang. Anmutig geschwungen, ragten Bug und Heck aus dem Wasser. Am Heck stiegen die Decksplanken an und bildeten am höchsten Punkt eine Aussichtsplattform. Am Bug befand sich die Galionsfigur – das Abbild einer jüngeren, schönen Frau Shimizu mit lächelndem Mund und langem, welligem Haar. Der Kajütenaufbau besaß ein rotes Schindeldach; die Vorsprünge des Daches waren nach oben geschwungen. Auf dem Vorderdeck ragte ein schlanker Mast in die Höhe, um den das Segel gewickelt war. An der Reling, die entlang der Dollborde verlief, waren Pfähle angebracht, an die man Laternen oder Banner hängen konnte. Mit seinem geringen Tiefgang, dem einen Ruderpaar und der offenen Steuerkabine war dieses Boot trotz seiner Größe kein hochseetüchtiges Schiff – der bakufu untersagte den Bau privater Wasserfahrzeuge, die auch dem rauhen Seegang auf dem Meer standhalten konnten, um zu verhindern, daß Bürger das Land verließen. Doch für Sanos Zwecke war es hervorragend geeignet.
    Er wandte seine Aufmerksamkeit der Umgebung zu. Wie das Boot der Shimizu waren auch die meisten anderen leer und verlassen; die Bootssaison begann erst in etwa einem Monat. Sano blickte blinzelnd zum Himmel, an dem der auffrischende Wind weitere Wolken von der See her nach Osten getrieben hatte.
    »Sieht nicht so aus, als könnte morgen jemand Segel setzen, wenn es sich weiter so zuzieht«, sagte Sano zufrieden.
    Überdies waren in der Umgebung nur wenige Menschen zu sehen: ein Hausmädchen, das auf einem Balkon Wäsche aufhing; ein Straßenverkäufer, der über die Brücke ging, mit seinen Strohkörben beladen; ein alter Mann, der auf der Brücke stand und angelte. Außerdem war das Boot der Shimizu weit genug vom dichten Schiffsverkehr auf dem Sumida und der Feuerschneise mit ihren vielen Läden und Eßlokalen entfernt, so daß alles, was hier geschah, weitgehend unbeobachtet blieb.
    »Wir kommen morgen in aller Frühe noch einmal her und machen alles bereit«, sagte Sano zu Hirata. »Und deine Helfer müssen dafür sorgen, daß wir hier ungestört auf den Mörder warten können.«
    Auf Hiratas Gesicht legte sich ein Ausdruck erwartungsvoller Spannung. »Warten wir an Bord des Bootes?«
    »Ja«, erwiderte Sano.
    Er ging über die Anlegestelle, stieg die knarrende Laufplanke hinauf und ging auf dem Deck des Bootes umher. Da er kein Seemann war, nahm er den Bug nur flüchtig in Augenschein. Er entdeckte den Anker, einen großen eisernen Haken mit mehreren Zacken, der in der Nähe des Segels auf einem zusammengerollten Hanfseil lag. Dann schaute er sich gründlicher jene Teile des Bootes an, die für sein Vorhaben wichtiger waren. Unter der Luke auf dem Achterdeck, vor der Ruderpinne, entdeckte er zusammengerollte Seile, gefaltete Segel, eine Werkzeugkiste, Laternen, Lampen, Kerzen, wasserdichte Metallkästen mit Zündhölzern und Tongefäße voller Wasser, Öl und Reiswein. Sano öffnete die Kajütentür und betrat einen großen Raum mit niedriger Decke, der mit Sitzbänken ausgestattet war, auf denen Seidenkissen lagen. Die Fenster waren mit Läden versehen, die aus drehbaren Brettern bestanden, so daß man die Luftzufuhr und die Helligkeit in der Kajüte einstellen konnte; durch die Fenster hatte man einen Blick auf die Backbord- und Steuerborddecks. Bei der Durchsuchung der Schränke entdeckte Sano zusammengefaltetes Bettzeug und Kleidungsstücke. In Schubladen, die sich unter den Sitzbänken befanden, waren Geschirr, Mundtücher, Eßstäbchen, Nachttöpfe, Seife, Toilettenartikel und Vorräte an getrocknetem Fisch, Seetang und Früchten untergebracht. Frau Shimizu, die vergeblich gehofft hatte, die Liebe ihres Mannes

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