Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rache des Samurai

Die Rache des Samurai

Titel: Die Rache des Samurai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
Vom Netzwerk:
gingen sie in den ersten Schreibwarenladen, an den sie gelangten. Der Besitzer kniete inmitten seiner Waren – Reispapier, Tuschefäßchen, Pinsel, geschnitzte Siegel, Federkiele, Behälter für Schriftrollen – und schrieb einen Brief, den ein Bauer ihm diktierte, der das Lesen und Schreiben nicht beherrschte. Als der Händler fertig war, nahm seine Frau die Bezahlung des Bauern entgegen, während der Ladeninhaber die beiden neuen Kunden begrüßte.
    Sano suchte sich vier Bogen Papier aus; drei von minderer Qualität, einer von der besten Sorte. Dann kaufte er vier Behälter für Schriftrollen – drei aus Bambus, einen aus Lackarbeit – sowie Siegellack und ein Stück Kordel aus Seide.
    »Kann Eure Frau schreiben?« fragte er den Besitzer des Ladens.
    Der Mann nickte, und Sano diktierte der Frau seine erste Botschaft. Er hoffte, daß die weibliche Handschrift den bundori- Mörder glauben machte, Frau Shimizu habe den Brief geschrieben.

    Wenn Ihr Eurer Schwert wiederhaben wollt, bringt fünfhundert koban zu den Anlegestellen im südlichen Teil des Flusses Kanda. Seid morgen um die Mittagszeit dort, und kommt allein. Geht an Bord des Bootes an der vierten Anlegestelle, von der Mündung des Kanda in den Sumida aus gesehen. Dort erwarte ich Euch.

    Die Dame vom Tempel

    Sano ließ die Schreiberin drei Kopien auf dem minderwertigen Papier anfertigen. Dann nahm er der Frau den Pinsel aus der Hand und zeichnete unten auf jeden der Briefe das Totenschädel-Emblem, das sich auf den Stichblättern der Schwerter General Fujiwaras befand. Sano löschte die Tusche ab, rollte die Briefe zusammen, schob sie in die Schriftrollenbehälter aus Bambus und versiegelte sie.
    »Schreibt ›dringend und persönlich‹ darauf«, sagte er zu der Frau, nachdem er ihr aufgetragen hatte, die Namen von Matsui, Chūgo und Yanagisawa auf die Schildchen zu schreiben, auf denen der Empfänger eingetragen wurde. Dann nahm er den Platz der Frau am Schreibpult ein und ließ den Pinsel über dem Blatt aus feinstem, seidigem Papier schweben, während er überlegte, wie er die wichtigste und vielleicht letzte Botschaft seines Lebens formulieren sollte.

    Genroku, zweites Jahr, dritter Monat, fünfundzwanzigster Tag

    An Seine Hoheit, Shōgun Tokugawa Tsunayoshi

    Zu meinem tiefen Bedauern muß ich Euch mitteilen, daß meine Nachforschungen ergeben haben, daß niemand anders als Euer Kammerherr Yanagisawa der bundori -Mörder ist.
    Ich selbst habe erlebt, Hoheit, wie Kammerherr Yanagisawa Euch und Eure Regierung nach seinem Willen beeinflußt, um seine persönlichen Ziele zu erreichen. Nun hat er das wahre Ausmaß seiner verderbten und boshaften Natur offenbart; denn er ist zu mir gekommen, um durch Zahlung von Erpressungsgeld wieder in den Besitz jenes Schwertes zu gelangen, das er am Zōjō-Tempel hat liegenlassen, nachdem er dort den Mönch getötet hatte, sein letztes Opfer. Sein Antrieb, die Morde zu begehen, war jedoch nicht die Ergebenheit Euch gegenüber, Hoheit, sondern der Wunsch, eine Blutschuld seines Ahnherrn, General Fujiwara zu begleichen, deren Wurzeln mehr als hundert Jahre in die Vergangenheit reichen und die durch Streitigkeiten mit den Klans der Araki und der Endō entstanden ist. Kammerherr Yanagisawa hat drei Nachkommen dieser Klans getötet, und die Zahl der Opfer wäre vermutlich noch gestiegen, hätte ich ihn nicht aufgehalten.
    Um zu verhindern, daß Kammerherr Yanagisawa seiner Strafe entgeht, indem er das Rechtssystem untergräbt, dessen Vertreter er beherrscht, habe ich mich selbst zum Arm des Gesetzes gemacht. Ich habe Kammerherr Yanagisawa hingerichtet und seppuku begangen – nicht nur, um der Gefangennahme und der Schande zu entgehen, sondern auch, um die immerwährende und unverbrüchliche Treue Eurer Person gegenüber zum Ausdruck zu bringen und um das Versprechen an meinen Vater einzulösen, zur lebendigen Verkörperung des bushidō zu werden.
    Ich hoffe, die Geschichtsschreibung wird sich meiner als des Angehörigen jenes Klans erinnern, der die Tokugawa-Regierung von dem verderblichen Einfluß des Kammerherrn Yanagisawa befreite und Eurer Hoheit als rechtmäßigem Herrscher dieses Landes wieder jenen Platz zugewiesen hat, der ihm gebührt.

    Euer untertäniger Diener sōsakan Sano Ichirō

    Sano versah den Brief mit seinem persönlichen Siegel; dann rollte er ihn zusammen, schob ihn in die Umhüllung aus Lackarbeit und bezahlte für die Waren und Dienste. Als die Männer wieder auf der Straße waren, gab Sano

Weitere Kostenlose Bücher