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Die Rache des Samurai

Die Rache des Samurai

Titel: Die Rache des Samurai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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erneut unter Wasser. Sano verließen die Kräfte; seine Gegenwehr erlahmte. Dann, als er schon aufgeben wollte, durchzuckte ihn ein Gedanke. Hinter Chūgo sah er den auf und ab schwankenden, gebogenen Bug des Bootes. Sano dachte an die Besessenheit, die Chūgo dazu getrieben hatte, vier Morde zu begehen und sich auf diese gefährliche Fahrt zu machen.
    »Chūgo«, stieß er erstickt hervor und stimmte seine nachfolgenden Worte mit dem Heben und Senken des Bootes ab. »General Fujiwara und Fürst Oda Nobunaga befehlen dir, mich loszulassen!«
    Der Griff des Hauptmanns lockerte sich für einen winzigen Augenblick – doch der genügte. Mit aller Kraft, die ihm verblieben war, wuchtete Sano seinen Körper nach vorn und trieb Chūgo genau in dem Moment nach hinten, als eine Woge das Boot in die Höhe hob. Dann sank es herab, und der Bug schmetterte auf Chūgos Schädeldecke. Das Gesicht des Hauptmanns gefror mit einem Ausdruck ungläubigen Erstaunens; seine Hände und Beine wurden schlaff und lösten sich von Sanos Hals und Hüften. Dann trieb er bewußtlos auf dem Rücken, wurde von den Wellen wie ein Bündel auf und ab getragen.
    Sano verschwendete keine Zeit damit, seinen Triumph auszukosten. Er mußte sich und seinen Gefangenen aus dem Wasser schaffen, bevor sie beide ertranken; er mußte Yanagisawa befreien und das Boot an der Brücke vertäuen, damit ein Rettungstrupp zu ihnen vordringen konnte. Sano legte Chūgo den Arm um den Hals, schwamm um das Boot herum zum Heck und fand das Tau, an dem er sich zuvor schon hinaufgehangelt hatte. Er band es Chūgo um die Brust; dann zog er sich am Tau hinauf und an Bord. Oben angelangt, zerrte er den festgebundenen Chūgo in die Höhe, wobei er seine ermüdeten Muskeln so sehr anstrengen mußte, daß ihm Tränen in die Augen traten. Er zog Chūgo an Deck …
    … und stellte fest, daß das Boot inzwischen von der Brücke fort und den Fluß hinuntergetrieben war. Wellen schwappten über das Deck und schlugen klatschend gegen den Kajütenaufbau. Sano benützte das Tau, um Chūgo an Händen und Beinen zu fesseln und ihn in aufrechter Haltung an einem Laternenpfahl festzubinden. Dann klammerte er sich vor Verzweiflung an der Reling fest, während er den Blick über die menschenleere Landschaft am Ufer schweifen ließ. Selbst wenn er Anker ließ, würde das Boot vermutlich kentern, bevor Hilfe eintraf. Taumelnd ging Sano über das Steuerborddeck, wo Yanagisawa stöhnend und schluchzend in einer Pfütze lag.
    »Kammerherr, könnt Ihr ein Boot segeln?«
    Yanagisawa verstummte abrupt. Er schluckte vor Erstaunen, als er den Kopf hob. Auf seinem Gesicht mischten sich Regen, Tränen und Blut. Seine Lippen bebten, und in seinen verquollenen Augen lagen Furcht und Entsetzen.
    » Ihr «, krächzte er. »Wo ist Chūgo?«
    Sanos Feindseligkeit gegenüber dem Kammerherrn wich Mitleid; doch er verspürte auch einen Anflug von Genugtuung, seinen Widersacher in diesem jämmerlichen Zustand zu sehen. »Ich habe ihn gefesselt. Er kann Euch nichts mehr tun. Kammerherr, ich …«
    Yanagisawas Gesicht verzerrte sich zu der gewohnten, starren Maske des Hochmuts. »Bindet mich los, Sano Ichirō. Das ist ein Befehl«, stieß er mit rauher Stimme hervor. Jetzt, da er sich vor Chūgo sicher fühlen konnte, kehrte seine alte Überheblichkeit wieder. Er kroch auf Sano zu, wobei er wilde Flüche ausstieß.
    Das Boot jagte den Fluß hinunter und durchpflügte die hohen Wellen. Noch immer zuckten gegabelte Blitze über den Himmel. »Könnt Ihr dieses Boot segeln, Kammerherr?« wiederholte Sano seine Frage.
    »Natürlich nicht, Schwachkopf! Ich bin kein hergelaufener Seemann. Und jetzt bindet mich endlich los, damit ich Euch töten kann!«
    Sano packte Yanagisawa unter den Achselhöhlen und zerrte ihn in die Kajüte. Dort ließ er ihn gefesselt liegen und eilte zum Heck. Er hatte noch nie ein Boot gesegelt, aber er mußte es versuchen. Durch die Regenschleier blickte er blinzelnd auf das Gewirr aus Tauen und Seilen, das sich vom Segel aus über den Kajütenaufbau bis zu den hölzernen Nieten an den Dollborden spannte. Ratlos schüttelte er den Kopf. Was sollte er jetzt tun?
    Schließlich ergriff er die Ruderpinne und versuchte, das Boot in Richtung Ufer zu lenken. Nichts geschah. Die Ruder, die für zwei Mann vorgesehen waren, erwiesen sich als zu schwer und standen zu weit auseinander, als daß ein einzelner Mann sie hätte bewegen können. Sano packte die Segeltaue und zerrte daran; es gelang ihm, das Segel

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