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Die Rache des Samurai

Die Rache des Samurai

Titel: Die Rache des Samurai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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Sano plötzlich leise Verachtung für den Shōgun empfand:
    ›Ein guter Samurai übt niemals Kritik an seinem Herrn, nicht einmal insgeheim.‹
    Plötzlich schienen Tsunayoshi die Nachforschungen über den Mordfall nicht mehr zu interessieren. »Steh auf, Shichisaburō«, befahl er mit belegter Stimme.
    Der Junge erhob sich, und der Shōgun betrachtete ihn von oben bis unten. Durch einen scharfen Blick Yanagisawas aufgefordert, lächelte der jugendliche Schauspieler zaghaft. Tsunayoshis Atem ging schneller, und die Kehle wurde ihm eng, als er schluckte. Sano starrte zu Boden; es war ihm peinlich, diese krasse Zurschaustellung sexueller Begierde mitzuerleben. Dann winkte Yanagisawa zu Sanos Erleichterung einem der Wächter.
    »Bring Shichisaburō in die Gemächer Seiner Hoheit und warte dort, bis er die Angelegenheiten mit sōsakan Sano geregelt hat.« Diese beiläufige Erwähnung seines Namens war der einzige Hinweis darauf, daß Yanagisawa überhaupt Notiz von Sanos Anwesenheit genommen hatte.
    Als die Tür sich hinter Shichisaburō und dem Wächter geschlossen hatte, legte sich Enttäuschung auf Tsunayoshis Gesicht. Sano wand sich innerlich, bis Yanagisawas glatte Stimme das peinliche Schweigen beendete.
    »Redet Ihr mit dem sōsakan über den Mord an Kaibara, Hoheit?«
    »Mord? Ach, ja.« Tsunayoshi blinzelte, und sein Blick richtete sich wieder auf Sano, doch ein bedauerndes Seufzen verriet, daß er dem verschwundenen Shichisaburō noch immer nachtrauerte. » Sōsakan Sano wollte gerade über seine Fortschritte bei den Ermittlungen berichten. Möchtet Ihr Euch nicht zu uns gesellen? Ich bin sicher, dem sōsakan und mir wird Euer … äh … Scharfblick zugute kommen.«
    Yanagisawa und Tsunayoshi tauschten einen Blick, den Sano nicht zu deuten vermochte. Er spürte eine gefühlsmäßige Bindung zwischen den beiden Männern; dennoch konnte er die Natur ihres Verhältnisses nicht näher bestimmen. Waren sie wirklich Geliebte? Sie berührten einander nicht, und es hatte auch nicht den Anschein, als fühlten sie sich körperlich zueinander hingezogen. Yanagisawa blieb unterhalb des Podiums sitzen, zur Rechten Tsunayoshis; er hatte sich leicht zur Seite gedreht, so daß er Sano und den Shōgun gleichzeitig im Auge behalten konnte. Unter der Oberfläche des förmlichen Auftretens beider Männer spürte Sano bei Tsunayoshi Bewunderung und Stolz; die Empfindungen Yanagisawas für den Shōgun indes waren intensiver und schwankender. Sano mußte genau auf jede ihrer Bewegungen und die versteckten Andeutungen in ihren Worten achten, wenn sie zueinander sprachen. Falls er es bei seinen Berichten über die Ermittlungen stets mit seinen beiden Vorgesetzten gemeinsam zu tun hatte – und dieser Verdacht keimte in Sano auf –, wollte er wissen, wie das menschliche und kräftemäßige Verhältnis zwischen ihnen beschaffen war.
    Was er bis jetzt gesehen hatte, beunruhigte ihn. Ob Yanagisawa das übermäßige Verlangen des Shōgun nach Vergnügungen absichtlich förderte?
    Doch Sano verschloß seinen Verstand vor diesem respektlosen Gedanken. »Eure Anwesenheit ehrt mich, Kammerherr Yanagisawa«, sagte er.
    Yanagisawa nickte dankend, doch es war nur eine leere Geste. »Dann berichtet uns, sōsakan Sano«, sagte er und übernahm die Rolle des Befragers, »was Ihr heute erfahren konntet. Habt Ihr den Mörder schon gefaßt?«
    »Äh … nein«, entgegnete Sano stockend. Vor der Wahrheit gab es kein Entrinnen, doch Yanagisawas direkte Frage machte es für Sano noch schwerer, die Fortschritte hervorzuheben, die er erzielt hatte. Rasch blickte er zum Shōgun hinüber. Nach nur einem Tag würde Tsunayoshi doch wohl keine Wunderdinge von ihm erwarten?
    Doch der Shōgun runzelte enttäuscht die Stirn und sagte abwesend: »Oh. Wie bedauerlich.« Er schien es zufrieden zu sein, daß Yanagisawa die Gesprächsführung übernommen hatte. Wieder schweifte der Blick Tsunayoshis zur Tür, und immer wieder verlagerte er unruhig das Gewicht auf den Kissen.
    »Aber ich habe die Personen befragt, die Kaibaras Überreste gefunden haben«, sagte Sano hastig, um weiteren unverblümten und unangenehmen Fragen Yanagisawas zuvorzukommen. Er wünschte sich, der Kammerherr würde gehen – und daß er Shichisaburō nicht hergebracht hätte. Denn auf diese Weise hatte er ein sachliches Gespräch mit dem Shōgun zunichte gemacht, und da Tsunayoshi ohnehin mit Arbeit überlastet war, bestanden nur geringe Aussichten, diesen Schaden wettzumachen.
    »Das alte

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