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Die Rache des Samurai

Die Rache des Samurai

Titel: Die Rache des Samurai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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Sanos Herz. Die Insel Sado war eine triste, kalte, höllische Gefängniskolonie, fernab vom Festland, viele Tagesreisen über die sturmgepeitschten Nordmeere. Auf diese Insel waren Schwerverbrecher verbannt, die dort in unterirdischen Minen schuften mußten. Sano wußte, was geschehen würde, wenn man ihn auf die Insel Sado schickte: Yanagisawa würde dafür sorgen, daß Sano nie mehr von dort zurückkehrte. Falls er nicht bei einem der vielen Gefangenenaufstände getötet wurde, fiel er mit Sicherheit einer Hungersnot oder einer Krankheit zum Opfer. In jedem Fall würde sein Geist an der Schande zugrunde gehen, lange bevor sein Körper starb. Er würde nicht mehr die Gelegenheit haben, das Versprechen zu erfüllen, das er seinem Vater gegeben hatte, und er würde Aoi nie wieder sehen. Vater, betete Sano schweigend, hilf mir, mich zu retten! Dabei blickte er flehend den Shōgun an, ihm die Strafe zu ersparen, die er gewiß nicht verdient hatte.
    »Es stimmt … äh … Kammerherr Yanagisawa«, sagte der Shōgun zögernd. »Was die Insel Sado betrifft, müßte etwas unternommen werden.«
    Er erwiderte Sanos Blick mit einer Mischung aus Strenge und stummem Bedauern. Offenbar hatte der Shōgun nicht die Dienste vergessen, die Sano ihm geleistet hatte, doch mangelte es ihm an Energie und Mut, um sich Yanagisawa und dessen Spießgesellen zu widersetzen. Sano konnte bereits das Schwanken des Schiffes spüren, das ihn übers Meer trug; er fühlte, wie die anderen Männer im Saal sich vor ihm zurückzogen, als wollten sie die Berührung mit dem Makel der Schande vermeiden. Sanos Magen verkrampfte sich; ihm wurde übel vor Scham.
    Schließlich sagte der Shōgun: » Sōsakan Sano, Ihr habt bis jetzt eine enttäuschende Leistung erbracht.« Er schlug die Augen nieder; vermutlich schämte er sich seiner Schwäche. »Aber ich bin ein großzügiger Mann.«
    Angesichts der Hoffnung auf Begnadigung tat Sanos Herz einen Sprung.
    »Ich gebe Euch noch fünf Tage, den bundori- Mörder zu fassen. Sollte es Euch in dieser Zeit nicht gelingen, werdet Ihr Euch als … äh … Gefängnisverwalter versuchen. – Ihr könnt gehen.«

15

    N
    ur noch fünf Tage, um den Mörder zu fassen, die Ruhe in der Stadt wiederherzustellen und sich selbst vom Makel der Schande zu reinigen.
    Von Panik erfüllt, stürmte Sano vom Versammlungssaal zu den Archiven des Palasts. Vielleicht hatte Noguchi ja schon etwas über die Nachkommen General Fujiwaras herausgefunden. Doch der Schreiber des Archivars teilte Sano mit, daß Noguchi noch immer in den Tempelregistern mit seinen Nachforschungen beschäftigt sei; er habe keine Nachricht für Sano hinterlassen und auch keine Andeutung darüber gemacht, wann er zurückkehre.
    Sano eilte zu den Polizeikasernen, ließ sich sein Pferd sowie ein weiteres Tier für Hirata aus den Ställen bringen und satteln, und versorgte sich mit Proviant für eine längere Reise. Nur die neue Spur, die Aoi ihm aufgezeigt hatte, versprach Aussicht auf einen raschen Erfolg. Sano würde Hilfe brauchen, um das Haus in den Sümpfen zu finden und den Mörder festzunehmen, und er wußte nicht, ob der dōshin Hirata, als niederrangiger Samurai, ein Pferd besaß.
    »In ihrer Vision hat Aoi gesehen, wie der Mörder eine hohe Brücke über einen breiten Fluß überquerte«, sagte Sano zu Hirata, als sie über die Ryōgoku-Brücke ritten, deren gewaltiger hölzerner Bogen den Fluß Sumida überspannte und die Verbindung zwischen Edo und den ländlichen Bezirken Honjo und Fukagawa am östlichen Ufer herstellte.
    Hirata ließ das Pferd im Schritt gehen, so daß er nicht allzu sehr schwankte. Die Unbeholfenheit, mit der er in den Sattel gestiegen und mit dem Pferd umgegangen war, hatte seine mangelnde Erfahrung im Reiten erkennen lassen. Doch er schien von Natur aus ein begabter Reiter zu sein, der durch Instinkt und Beobachtung lernte. Doch als er sprach, ließ sein beschämter Tonfall keinerlei wachsendes reiterliches Selbstvertrauen erkennen.
    » Gomen nasai . Es tut mir leid, daß ich weder den Verdächtigen noch irgendwelche Zeugen gefunden habe«, sagte er.
    »Ich hoffe, das spielt keine Rolle mehr, wenn der heutige Abend erst vorüber ist.«
    Als sie den Scheitelpunkt des Brückenbogens erreichten, warf Sano wachsame Blicke auf die anderen Reisenden, die an ihnen vorbeiströmten. Eine Bedrohung, die viel unmittelbarer war als die mögliche Bestrafung durch den Shōgun, machte ihm zu schaffen: Irgend jemand wollte seinen Tod – und dieser

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