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Die Rache des Samurai

Die Rache des Samurai

Titel: Die Rache des Samurai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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so kostbar war.
    Eine seltsame Mischung aus Hochgefühl und Furcht erfaßte Sano. Was er für Aoi empfand, hatte er noch nie für eine Frau empfunden. Es ging weit über das sexuelle Begehren hinaus und entflammte seinen Geist mit schierer, unbändiger Freude; es überdeckte alle Unterschiede in beruflichem Rang und sozialem Ansehen.
    Doch es erfüllte Sano auch mit Furcht. Für Angehörige seiner gesellschaftlichen Klasse waren Liebesaffären zwar nichts ungewöhnliches, doch Sano wußte, daß unkluge romantische Affären schon für so manchen Samurai bittere Folgen gehabt hatten: Sie hatten seinen finanziellen Ruin bedeutet; sie hatten ihn von seinen Pflichten abgelenkt, hatten seinen Charakter geschwächt und auf diese Weise seine Zukunftsaussichten zunichte gemacht.
    Sano dachte an die gesellschaftlichen Vorteile, die es ihm einbringen würde, falls er in die Familie Ueda einheiratete. Daß ihm diese Vorteile weniger verlockend erschienen als die Aussicht, mit Aoi zu schlafen, sie – in jeder Hinsicht – besser kennenzulernen, ließ Sano die Gefahren erkennen, die ihm drohten, wenn er seinen Gefühlen freien Lauf ließ.
    Plötzlich erhob sich Aoi mit hastigen Bewegungen. Bevor sie zur Tür stürzte, sah Sano das Entsetzen in ihren Augen aufblitzen. Daß sie seine Gedanken erraten zu haben schien und daß sie es offenbar ebenfalls vorzog, wenn ihrer beider Verhältnis distanziert blieb, war für Sano verletzend und beruhigend zugleich. Im Interesse der Nachforschungen mußte er Aoi zwar wiedersehen, doch in seinem eigenen Interesse durften sie beide niemals die Grenze zwischen Arbeit und Liebe überschreiten.

14

    H
    iermit eröffne ich die Versammlung des … äh … Rates der Ältesten.« Mit dem Beiklang herrschaftlicher Autorität wandte der Shōgun sich vom hinteren Ende des großen Versammlungssaales im Palast zu Edo an die Ratsmitglieder. Tokugawa Tsunayoshi saß auf einem Podium; hinter ihm befand sich ein reich mit Blattgold verziertes Landschafts-Wand­gemälde. Es ließ die glänzenden Seidengewänder des Shōgun noch prachtvoller erscheinen.
    Vor dem Podium bildete der Fußboden zwei unterschiedlich hohe Ebenen. Auf der oberen Ebene, zur Linken des Shōgun, kniete Kammerherr Yanagisawa, so daß er sowohl seinen Herrn als auch die Mitglieder der Versammlung im Auge behalten konnte. Auf derselben Ebene befanden sich zudem die fünf Mitglieder des Ältesten Staatsrates; im rechten Winkel zum Shōgun knieten sie einander gegenüber. Sie waren erbliche Tokugawa-Gefolgsleute – Ratgeber des Shōgun in politischen Fragen – und nahmen im bakufu die höchste Rangstufe ein. Unauffällig schenkten Diener den Männern Tee in Schalen nach, die auf Tabletts von ihnen standen; überdies versorgten sie die fünf Ältesten mit Tabak und reichten ihnen kleine Körbe aus Metall, in denen sich glühende Kohlestücke befanden, mit denen sie ihre Pfeifen anzünden konnten.
    Die untere Ebene wurde von Beamten niederen Ranges belegt, die Berichte vorzutragen hatten. Inmitten dieser Männer kniete Sano, angespannt vor Unruhe. Er versuchte, sich seine vorbereitete Rede ins Gedächtnis zu rufen, doch die Nervosität machte seine Konzentration zunichte. Seine Gedanken schweiften zum vergangenen Abend ab – und zu Aoi.
    Tokugawa Tsunayoshi beendete seine eröffnenden Worte. Dann nickte er seinem obersten Sekretär zu, der einer kleinen Heerschar von Schreibern vorstand, die an Pulten unter den Fenstern saßen, welche sich über die gesamte Länge des Versammlungssaales erstreckten. »Fahrt fort.«
    »Der erste Punkt der Tagesordnung«, verkündete der Sekretär, »ist der Bericht des sōsakan Sano Ichirō über seine Ermittlungen in Sachen bundori -Morde.«
    Interesse belebte Tokugawa Tsunayoshis ausdruckslose Züge. »Nun … äh … sōsakan , was habt Ihr uns zu berichten?« fragte er.
    Sanos Herz vollführte einen immer schnelleren Trommelschlag in seiner Brust. Als er sich erhob, vor die Versammlung trat und niederkniete, hielt er den Oberkörper krampfhaft aufgerichtet, um sein Zittern zu unterbinden. »Es ist mir eine Ehre, Hoheit, den Bericht über meine Fortschritte vortragen zu dürfen«, sagte er und betete, daß seine Stimme ruhig und fest klang. »Ich hoffe, daß meine Bemühungen, so unbedeutend sie auch sein mögen, zu Eurer Zufriedenheit waren.«
    Unter den aufmerksamen Blicken aller Anwesenden faßte Sano die Ergebnisse seiner Nachforschungen zusammen. Es ermutigte ihn, daß nicht Kammerherr Yanagisawa,

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