Die Rache des schönen Geschlechts
Arme nach dem Lastenaufzug ausstreckte. Als er merkte, dass das Brett unter ihm nachgab, hat er sich instinktiv mit dem ganzen Körper nach vorn gelehnt, und dabei hat er Übergewicht bekommen und ist abgestürzt. Anscheinend hatte er nicht mal den Schutzhelm festgeschnallt, denn den hat er im Fall verloren. Das ist eine plausible Rekonstruktion.«
Montalbano bemerkte, dass die Stirn des Maresciallo seltsam glänzte. Verruso fing an zu schwitzen, aber er rührte sich nicht, machte keine Bewegung.
»Sind die anderen Bauarbeiter aus dem Trupp vorher schon mal auffällig geworden?«
»Keiner. Doch das - Sie wissen das besser als ich, Dottore heißt überhaupt nichts.«
»Stimmt. Dieser Bauunternehmer. wie heißt er noch mal?«
»Alfredo Corso.«
»Dieser Signor Corso stellt oft Ausländer ein. In unserem Fall kommen drei von sechs Bauarbeitern aus dem Ausland.«
»Alle mit ordentlichen Papieren. Er ist ein Mensch mit Herz und Verantwortungsgefühl. Er hat mir erzählt, dass er selbst Emigrant war, in Deutschland, und daher Verständnis für bestimmte Situationen hat.«
Er stand unvermittelt auf. jetzt war sein Gesicht schweißnass.
»Ist Ihnen nicht gut?«
»Nein.«
Montalbano erhob sich ebenfalls. »Kann ich etwas für Sie tun?«
»Nein, danke. Dottore, es ist besser, wenn ich mich hier nicht mehr sehen lasse, und es scheint mir auch nicht günstig, wenn Sie zu uns kommen. Rufen Sie mich an, ruhig schon morgen, dann verabreden wir uns. Ich danke Ihnen für alles.«
Er gab ihm die Hand, der Commissario schüttelte sie. Aber als Verruso an die Tür gehen wollte, kam er aus dem
Tritt und verlor das Gleichgewicht. Montalbano war gleich bei ihm und packte ihn an den Schultern. »So können Sie nicht fahren. Ich bringe Sie.«
»Nein, danke«, sagte Verruso fest. »Es genügt, wenn Sie mich zum Auto begleiten.«
Er stützte sich auf Montalbanos Arm. Sie verließen das Zimmer, gingen den Flur entlang und auf den Eingang zu. Als sie an Catarella vorbeikamen, riss er Mund und Augen auf und ließ den Telefonhörer fallen. Er sah aus wie der erschrockene Hirte, der in keiner Krippe fehlt und vor der Grotte, in der das Jesuskind geboren ist, die Arme zum Himmel erhebt. Montalbano wartete, bis der Maresciallo ins Auto eingestiegen und losgefahren war. Dann ging er zurück. Catarella hatte sich immer noch nicht gefangen und stand da wie zur Salzsäule erstarrt.
Kapitel 6
Es war Zeit, zum Essen zu gehen, und Fazio war immer noch nicht aufgetaucht. Die Bürotür stand offen, daher rief Montalbano laut nach ihm. Fazio eilte herbei, blieb aber auf der Schwelle stehen. Er streckte nur den Kopf ins Zimmer seines Chefs und spähte vorsichtig herum, vielleicht hatte sich der Maresciallo ja versteckt und kam plötzlich zum Vorschein. Montalbano wollte schon die berühmten Worte der beiden Komiker De Rege sagen: »Komm schon rein, du Blödmann!«
Aber er nahm sich zusammen, Fazios Laune war schon schlecht genug, er musste ihn nicht noch zusätzlich reizen.
»Und? Bist du immer noch nicht fertig?«
»Doch, Dottore, seit einer halben Stunde.«
»Und wieso kommst du jetzt erst?«
»Ich wollte unangenehme Begegnungen vermeiden.«
Was sollte er tun? Ihn beschimpfen? Oder so tun, als ob nichts wäre, und auf eine andere Gelegenheit warten? Er entschied sich für letztere Möglichkeit, als hätte Fazio nicht gespottet. Der hatte inzwischen den Zettel, den Montalbano ihm gegeben hatte, auf den Tisch gelegt. »Das können Sie sich selber ansehen.«
»Was heißt das?«
»Dottore, ansehen heißt normalerweise ansehen. Auch in diesem Fall.«
Fazio war wirklich sauer. Aber jetzt reichte es dem Commissario.
»Wenn du dich nicht innerhalb von fünf Sekunden entschuldigst, kriegst du einen Tritt in den Arsch. Und es ist mir scheißegal, wenn du mich beim Questore, bei der Gewerkschaft, dem Staatspräsidenten und dem Papst verpetzt.«
Er sagte es leise, und Fazio begriff, dass er den Bogen überspannt hatte. »Entschuldigung.«
»Also los, red schon, ich hab nicht so viel Zeit.«
»Zwei Unglücksfälle haben etwas gemeinsam. Der Mann, der von dem Eisenträger zerquetscht wurde, und der Albaner haben für dieselbe Baufirma gearbeitet, die Santa Maria von Alfredo Corso.«
»Beide mit demselben Bauleiter?«
»Nein.«
Mehr sagte er nicht. Fazio war sehr zugeknöpft. Nach einer Weile fragte er:
»Haben Sie weitere Anweisungen?«
»Nein. Ich wollte dir nur noch sagen, dass wir uns nicht weiter mit dem Tod des Albaners befassen.
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