Die Rache des schönen Geschlechts
versteckt.«
»Aber wieso denn? Sie hätten doch genauso gut plötzlich dastehen können, wie heute Nacht, und.«
»Ich?! Heute Nacht?!«, rief Verruso überrascht. Montalbano fing sich rechtzeitig wieder. »Nein, entschuldigen Sie, ich meinte heute Morgen, nicht heute Nacht.« »Ich wollte Sie nicht stören. Wollte Sie nicht ablenken. Und dann bin ich auf die Motorhaube Ihres Wagens gestiegen und habe in die Baracke geschaut. Verzeihen Sie den Vergleich, aber Sie wirkten wie ein Hund, ein Jagdhund, der Witterung aufgenommen hat.«
Es klopfte. Fazio wollte hereinkommen, blieb aber verstört in der Tür stehen.
Er wusste nichts von Verrusos Besuch. »Guten Tag«, sagte er sehr kühl.
»Guten Tag«, antwortete der Maresciallo nicht gerade begeistert.
»Ich komm später wieder«, sagte Fazio. »Warte«, sagte Montalbano. »Bring mir dieses Plastiktütchen, das ich dir zum Aufbewahren gegeben habe. Ich will es dem Maresciallo zeigen.«
Fazio wurde blass, als ob man ihn tödlich beleidigt hätte, öffnete den Mund, schloss ihn wieder, drehte sich um und verschwand. Der Commissario erzählte Verruso, was es zu erzählen gab. Das dauerte etwa zehn Minuten, und Fazio war immer noch nicht zurück. Dann klopfte es endlich, und Fazio erschien mit betrübter Miene. Theatralisch breitete er die Arme aus und schüttelte den Kopf. »Ich find's nicht mehr«, sagte er. »Ich hab alles abgesucht.«
Und dann, an den Maresciallo gewandt:
»Tut mir Leid.«
»Ich verstehe«, sagte Verruso.
Montalbano stand auf.
»Komm, ich helfe dir suchen. Entschuldigen Sie mich, Maresciallo.«
Draußen vor dem Büro packte er Fazio am Arm, sodass er ihn fast hochhob, und schob ihn vorwärts.
»Was fällt dir eigentlich ein!«, zischte er.
»Dottore, von mir kriegt der gar nichts. Die Tüte gehört uns!«
»Ich geb dir fünf Minuten, damit Verruso denkt, wir würden wirklich suchen. Ich gehe solange draußen eine rauchen.«
Er war sauer auf Fazio. Aber wenn sich der Maresciallo nicht als brauchbarer Kerl entpuppt hätte, hätte er dann nicht genauso reagiert und weiterhin geleugnet, einen anonymen Brief erhalten zu haben?
»Da ist es«, sagte Fazio und ging schmollend wieder in sein Zimmer.
Montalbano rauchte fertig und kehrte zum Maresciallo zurück.
Der nahm das Tütchen, das der Commissario ihm reichte, und steckte es in die Tasche, ohne einen Blick darauf zu werfen, als sei es ganz unwichtig.
»Maresciallo, sollte sich herausstellen, dass dieses Blut von Puka stammt, dann heißt das.«
»Keine Sorge, Dottore. Ich lasse es zusammen mit dem anderen Blut untersuchen.«
Dem anderen Blut?
»Wissen Sie, Dottore«, geruhte Verruso zu erklären, »als Sie von der Baustelle wegfuhren, ließ ich zwei von meinen Leuten kommen. Wir untersuchten die Toilette sorgfältig und fanden hinter der Kloschüssel Blutflecken, die den Mördern beim Saubermachen entgangen waren. Denn Puka hat nicht einer allein umgebracht, meinen Sie nicht auch?«
»Doch«, gab Montalbano reserviert zu. Dieser Maresciallo Verruso spielte Katz und Maus mit ihm. Aber war Verruso so sicher, die Katze zu sein? Und wie weit war er mit seinen Ermittlungen? Wie viel Vorsprung hatte er, wie weit war er ihm voraus? Vorsprung? Wie weit voraus? Was war das, etwa ein Wettlauf zwischen Polizei und Carabinieri? Sollten die das Problem doch selber lösen, sollten die sich doch drum kümmern! »Gut«, sagte Montalbano und gab damit zu verstehen, dass das Gespräch für ihn beendet sei. »Ich habe Ihnen alles gesagt und Ihnen das Beweisstück ausgehändigt. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen, ich habe zu tun.«
Er stand auf und streckte ihm die Hand entgegen. Verruso sah sie an, als hätte er noch nie im Leben eine Hand gesehen, und blieb sitzen.
»Vielleicht haben Sie nicht verstanden«, sagte er. »Was hätte ich denn verstehen sollen?«
»Dass ich hier bin, um Ihnen zu sagen. um Sie zu fragen, ob Sie Lust haben, mir zu helfen. nicht offiziell, meine ich.«
Montalbano musste lachen. Was war der Maresciallo doch für ein schlauer Fuchs! Er, Montalbano, löste den Fall, und Verruso heimste die Lorbeeren ein. »Und warum sollte ich das tun?« »
»Weil ich todkrank bin.«
Einfach so.
»Sie scherzen doch, oder?«
»Nein. Ich habe einen Krebs, der mich bei lebendigem Leib auffrisst. Ich bin allein, meine Frau ist vor drei Jahren gestorben, wir haben keine Kinder. Der einzige Sinn meines Lebens besteht darin, diejenigen, die es verdienen, hinter Gitter zu
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