Die Rache des schönen Geschlechts
durchwandern?«
»Ja, ja.«
»Sich in ihre finsteren Labyrinthe zu wagen? In ihre unentwirrbaren Knäuel? In die unterirdischen Höhlen? Die unerforschlichen.«
»Ja, ja, ja«, keuchte Castellini, dem Orgasmus nahe. Livia verpasste Montalbano unter dem Tisch einen Fußtritt, und er verstummte. Auch weil sein Repertoire an Gemeinplätzen und Klischees nicht besonders groß war. Livia nutzte die Pause.
»Weißt du, Matteo.«, sagte sie zum Ingegnere. Der Liebreiz in ihrer Stimme ließ Montalbano aufhorchen: Wenn Livia diesen Ton anschlug, folgte unweigerlich ein Seitenhieb, wie wenn die siede ihre Tinte ausstoßen, die Sepien, die der Kellner gerade servierte. ».selbstverständlich hätte Salvo die Möglichkeit dazu.
Aber er nutzt sie nicht. Bei ihm geht es nicht über die Beweise hinaus.«
»Was meinst du damit?«, fragte Montalbano gereizt. »Nicht mehr und nicht weniger als das, was ich gesagt habe. Du bleibst auf einer bestimmten Ebene stehen, die dir für deine Ermittlungen genügt. Vielleicht hast du Angst, darüber hinauszugehen.«
Sie wollte ihn verletzen, das war klar. Das war die Rache dafür, dass er den Ingegnere verarscht hatte. Sogar Stefania schien sich über die Äußerung ihrer Freundin zu wundern.
»Das ist nicht meine Aufgabe. Ich bin weder Pfarrer noch Psychologe noch Therapeut. Bitte entschuldigt mich jetzt.«
Und er tauchte ein in den Duft und den Geschmack der siede, die zubereitet waren, wie sie zubereitet gehörten. Nach einer Schweigepause fing der Ingegnere an, von Schuld und Sühne zu sprechen, das er, wie er sagte, >In der dunklen Stille der jemenitischen Nächte< wiedergelesen habe. In Sachen Psychologie lag Dostojewskij seiner Meinung nach gewaltig daneben. Als sie sich voneinander verabschiedeten, zog Stefania einen Schlüsselbund aus ihrer Handtasche und gab ihn Livia. »Fahrt ihr morgen?«
Fahren? Wohin denn? Er machte doch erst seit einer Woche Urlaub in Boccadasse und hatte überhaupt keine Lust, sich fortzubewegen.
»Was soll das mit der Fahrt?«, fragte er, als Livia den Motor anließ.
»Stefania und Matteo überlassen uns netterweise für ein paar Tage ihr Haus in den Bergen.«
O Gott! Die Berge! Er war ein Kind des Meeres, er war einfach so, da konnte er nichts dafür. Oberhalb von fünfhundert Metern war er schlecht gelaunt und konnte beim geringsten Anlass Streit anfangen, manchmal hatte er sogar solche Anfälle von Wehmut, dass er noch schweigsamer und eigenbrötlerischer wurde, als er von Natur aus schon war.
Schön waren die Berge ja, aber das Meer war auch schön. Außerdem hatte Livia ihn einfach überrumpelt, richtiggehend verraten. Schlimmer als Gano im Puppentheater, der Mörder des rasenden Roland.
»Warum hast du nicht gleich gesagt, dass du schon alles organisiert hast, um mich in die Berge zu schleifen?«
»Zu schleifen! Jetzt mach doch nicht so ein Drama draus! Ganz einfach: Wir hätten die Tage sonst nur damit verbracht, uns zu zoffen.«
»Ich möchte bloß mal wissen, warum wir eine Woche vor Ferienende unbedingt aus Boccadasse wegmüssen!«
»Weil du in Boccadasse Ferien machst, während ich hier wohne, ich lebe hier. Klar? Das sind deine Ferien, nicht meine. Ich habe entschieden, dass wir unsere Ferien verbringen, wo ich will.«
»Sagst du mir wenigstens, wo dieses Haus ist?«
»Oberhalb von Courmayeur.«
Oberhalb? Zwischen dem ewigen Eis und unberührten Gipfeln, wie Ingegnere Castellini sich ausgerückt hätte? Der Commissario erstarrte.
Sie stritten lange, aber Montalbano wusste, dass er von vornherein verloren hatte. Später, vor dem Einschlafen, schlossen sie Frieden. Und noch später, als er mit offenen Augen dalag und das fahle Licht sah, das durch das offene Fenster hereinkam, Livia neben sich atmen hörte und ihr Atmen sich mit dem des Meeres vermischte, war Montalbano versöhnt und bereit, es mit den Eisbären aufzunehmen, die im Packeis oberhalb von Courmayeur sicher gut gediehen.
Die ganze Fahrt, die zwei Stunden dauerte, wollte Livia ihn nicht ans Steuer lassen, da war nichts zu machen.
»Jetzt lass doch mich mal fahren. Du wirst doch nur müde.«
»Sagtest du nicht, ich wollte dich in die Berge schleifen?
Also lass dich hinschleifen und sei still.«
Da sie noch alles Mögliche zu tun gehabt hatten, in Boccadasse spät losgefahren waren und auch ziemlich dichter Verkehr herrschte, entschied Montalbano, als die Sonne unterging, dass er wohl am besten ein Nickerchen hielt.
Livia Stimme weckte ihn.
»Komm, Salvo, wir sind
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