Die Rache ist Dein
öffnete die Kette, die sie erst vor einer Stunde angebracht hatte. Sie war in der Heimwerkerabteilung gewesen, hatte Batterien gesucht und die nicht besonders stabilen Türketten entdeckt, die böse Buben fernhalten sollten. Na gut, hatte sie gedacht, warum nicht. Kein wirklicher Schutz, aber ein Hindernis mehr. Schließlich machte sie die Tür auf.
»Hi. Komm rein.«
»Du hast schon geschlafen.«
»Jetzt bin ich wach.«
»Ich geh nach Hause.«
»Red keinen Quatsch. Komm rein heißt komm rein.«
Sie ließ ihn nicht aus den Augen, während er zu ihrem zerschlitzten Sofa ging und sich setzte. Sein Jackett gefiel ihr, was sie ihm auch sagte.
»Ja?« Er schnippte einen Fussel weg. »Ist von Valentino.«
»Sieht toll aus.«
»Ja? Danke.« Er lächelte. »Nett, daß du es bemerkt hast. Wie geht's dir? Wie lange hast du geschlafen?«
»Vier oder fünf Stunden.«
»Dann fehlt dir immer noch Schlaf. Du brauchst mindestens gute zwölf Stunden.«
»Stimmt.« Sie betrachtete sein abgespanntes Gesicht. »Und du?«
»Mir geht's gut.«
»Du bist weit weg von zu Hause. Was machst du hier? Schauen, ob alles in Ordnung ist? Dafür gibt es das Telefon, Oliver.«
»Telefone taugen nur was, wenn sie auch abgenommen werden. Ich hab deinen Dad hier nicht gesehen, also dachte ich ... « Er hob die Hände und stand auf. »Mach dir um mich keine Sorgen. Morgen ist Sonntag. Ich bleib im Bett, esse Nachos und seh mir das Spiel an.«
»Du hast das Bier vergessen.«
»Ja, stimmt. Gute Nacht.«
»Willst du hier auf dem Sofa übernachten, Oliver? Schön ist es zwar nicht mehr, aber dafür reicht es allemal.«
»Wie lang ist das Ding?«
»Zwei Meter.« Er dachte kurz nach. »Hast du ein sauberes Laken?«
»Sehr sauber. Ihr habt sie gestern alle gewaschen.«
»Stimmt ja.« Oliver schüttelte sein Bein aus. »Ehrlich gesagt, bin ich total erledigt. Den größten Teil des Tages hab ich an der Unfallstelle verbracht.«
»O Gott. War es schlimm?«
»Keine große Sache, nichts Unerwartetes. Aber Dreckarbeit. Ich hab geduscht, du brauchst dir also keine Sorgen machen, daß ich deine Möbel schmutzig mache.«
»Dein Schweiß ist die letzte meiner Sorgen.«
Oliver brachte ein müdes Lächeln zustande. »Hier zu schlafen, war nett. Wenn es dir nichts ausmacht.«
»Mir macht es nichts aus.« Cindy spürte, wie iht die Kehle eng wurde. »Ich glaube, ich würde besser schlafen.«
Olivers Lächeln wurde breiter. »Das wäre schön.«
Cindy trat zu ihm, legte die Hände auf seine Brust. Langsam ließ sie sie bis zu den Schultern hinaufgleiten. »Ich würde sogar noch besser schlafen, wenn ich nicht alleine wäre.«
»Du bist nicht alleine.«
»Ich meine, allein in meinem Bett.« Sie machte einen Schritt zurück, versetzte ihm einen Stoß. »So beschränkt kannst du doch nicht sein.«
Er nahm sie in die Arme, drückte ihren Körper an sich, spürte, wie seine Hose plötzlich eng wurde. Er hielt Cindy fest umschlungen, konnte sich aber kaum noch auf den Beinen halten. Der Streß des Tages, zusammen mit dem aufsteigenden Begehren. Sie war ein Kind, nicht älter als seine Söhne. Sie war jemandes Tochter, jemandes kleines Mädchen. Vor allem aber war sie nicht sein kleines Mädchen. Für ihn war Cindy ein junges Ding, ein Feuerkopf mit roten Haaren und einem knackigen Hintern. So mußte er darüber denken. Denn wenn er an sie dachte — an sie als Person — würde er zusammenschrumpeln wie eine Trockenfrucht. »Ich will nur sicherstellen, daß du weißt, was du tust.«
»Weißt du, was du tust?«
»Nein.«
»Tja, wie beruhigend, daß du nicht in allem Experte bist.«
26
Nach all seiner anfänglichen Nervosität fand er, daß er sich gut gehalten hatte. Ihr schien es zu gefallen. Und jetzt schlief sie, atmete tief und regelmäßig. Er beneidete sie um den Schlaf der Jugend. Seit der Geburt seiner Söhne war er mit einem überaktiven »Wachzentrum« geschlagen, das nie ganz abschaltete, nicht mal mitten in der Nacht.
Die Nacht mit ihr zu verbringen, war nicht klug. Aber er hatte so viele unklugen Entscheidungen in seinem Leben getroffen, da war diese bestimmt nicht die schlechteste. Nur wurde dadurch alles komplizierter. Schlimm daran war, daß er sie mochte. Er würde es wieder tun wollen. Und sie schien ihn auch zu mögen. Auch sie würde es wahrscheinlich wieder tun wollen. Dann ... nachdem sie es oft genug getan hatten ... würde es eine Beziehung werden. Und das wäre sehr kompliziert. Decker würde es nicht gefallen, aber
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