Die Rache ist Dein
Er aß die nächste Garnele. »Gut, du hast deinem Vater von den Schüssen erzählt, nachdem Armand Crayton entführt und ermordet worden war. Und dein Dad hat gesagt, du sollst mit niemandem darüber reden.«
»Ja.«
»Hat der Schütze dich gesehen, Cindy?«
»Ich ... weiß nicht. Als es passierte, hatte ich wirklich Angst. Zuerst dachte ich, seine Frau hätte auf uns geschossen, weil sie annahm, Armand und ich hätten ein Verhältnis. Aber als er ermordet wurde und all die Sachen über ihn rauskamen, hab ich aufgehört, mir Sorgen zu machen. Armand hatte eine Menge Gegner. Die Schüsse galten nicht mir. Sie waren vermutlich das Geschenk eines verärgerten Investors.«
»Das hast du alles deinem Vater erzählt?«
»Ja. Und ich bin sicher, daß Dad meine Rolle dabei nicht für wichtig hielt, sonst hätte er dich und Marge und die anderen informiert.«
»Mir gegenüber hat er nie was erwähnt.«
»Also hielt er es nicht für wichtig.«
»Wahrscheinlicher ist, daß er sich Sorgen um deine Sicherheit gemacht hat.«
»Er würde nie einen Fall gefährden, Scott. Auch für mich nicht.«
Scott lachte. »Na klar doch!«
»Das ist mein Ernst. Dad hat Prinzipien!«
»Und Dad liebt seine Familie. Wenn er zwischen der Arbeit und deiner Sicherheit wählen müßte, würde er keine Sekunde zögern.« Er winkte ab. Ein Kellnerlehrling hielt das für die Aufforderung, sofort die Teller abzuräumen. »Möchtest du ein Dessert?« fragte Oliver.
»Nein, ich kann nicht mehr. Vielen Dank, das Essen war köstlich.«
»Gern geschehen.« Oliver kratzte sich am Kinn. »Du hast dich mit Craig Barrows über den Crayton-Fall unterhalten?«
»Nur ganz allgemein.«
»Wie allgemein?«
»Wir haben über diese Carjackings geredet.« Sie wurde munterer. »Barrows hat mir erzählt, daß er mit Osmondson an einem Fall arbeitet, der Ähnlichkeiten mit dem Crayton-Fall hat.«
Am liebsten hätte Oliver seinen Notizblock rausgezogen, aber er beherrschte sich. Hier war es zu voll. Er mußte Cindy in einer ruhigeren Umgebung ausfragen. Die Sache systematisch mit ihr durchgehen. »Erinnerst du dich an Einzelheiten des Falles?«
Cindy trommelte leise auf den Tisch. »Aus irgendeinem Grund muß ich an einen roten Ferrari denken.«
Elizabeth Tarkum. »Du weißt, woran wir momentan in Devon-shire arbeiten, oder?« fragte Oliver. »Natürlich. An den Carjackings. Glaubst du, der Crayton-Fall könnte was damit zu tun haben?«
»Wäre möglich.«
»Du willst mich verhören, stimmt's?«
»Wir nennen das befragen.«
»Okay«, sagte Cindy. »Und wenn ich zustimme? Willst du das hinter dem Rücken meines Vaters machen?«
»Könnte einfacher sein.« Oliver fühlte sich unbehaglich. »Wie wär's, wenn ich morgen abend in deine Wohnung komme? Du erzählst mir alles über Armand Crayton und dein Gespräch mit Craig Barrows. Wenn ich das Gefühl habe, daß deine Beziehung zu Crayton wichtig ist für den Fall — oder für die laufenden Ermittlungen zu den Carjackings — erzähle ich deinem Vater von heute abend ... was ein ziemlicher Tanz werden wird! Aber wenn du irgendwie Licht auf diese schrecklichen Überfälle werfen kannst, bleibt mir nichts anderes übrig.«
»Du verhältst dich sehr professionell.« Sie grinste. »Ich bin beeindruckt.«
»Nein, ganz und gar nicht.« Er rieb sich die Stirn. »Ich benehme mich wie ein Idiot, weil ich dich zum Essen eingeladen habe.«
Cindys Stimme wurde weicher. »Du warst einfach nur nett. Weil ich dir gestern abend leid getan habe. Ich weiß das zu schätzen, Scott.«
Er lächelte, legte die Kreditkarte auf den Tisch, um die Rechnung zu bezahlen. »Du bist ein nettes Mädchen.«
»Danke«, sagte Cindy. »Sollen wir uns die Rechnung teilen?« Oliver lachte. »Die geht auf mich. Beim nächsten Mal bist du dran.«
»Gibt es denn ein nächstes Mal?«
Diesmal wurde Scott rot. Rasch wechselte Cindy das Thema. »Wann willst du morgen kommen?« Er starrte sie an.
»Um mich zu befragen ... erinnerst du dich?« Wieder lachte er. »Ah, ja, ich erinnere mich. Ganz so senil bin ich noch nicht. Gegen sieben?«
»Ist mir recht.«
Cindy senkte den Blick. Sie wollte Scott wegen Hannahs Foto fragen: warum es auf dem Couchtisch gestanden hatte statt auf dem Kaminsims. Sie fand sich paranoid, besonders nach dieser merkwürdigen Unterhaltung. Aber es hätte mißtrauisch und unhöflich geklungen. Also beschloß sie, ihn morgen zu fragen. Das war logischer: Er vernahm sie, sie vernahm ihn. »Fertig?« fragte er.
»Ja.«
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