Die Rache ist Dein
Oliver, selbst wenn ich Hilfe von meinen Kollegen wollte, würden ich sie nicht bekommen. Warum soll ich also darauf warten?« Sie senkte die Salatgabel. »Die sind doch nur darauf aus, uns Frauen zu schikanieren. Wie gestern. Ich versuche, diese verrückte Latina zu bändigen ... und glaubst du, einer der Kerle hätte einen Finger krumm gemacht, um mir zu helfen?« Sie schüttelte den Kopf. »Mann, ich wünschte, ich hätte eine Partnerin, damit diese ganze Konkurrenzkiste vorbei wäre.«
»Hast du ein Problem mit deinem Partner?«
Cindy trank einen großen Schluck Wein. »Nein, Beaudry ist kein schlechter Kerl.«
»Warum zickst du dann so rum?«
»Ich zicke nicht rum! Ich meine doch nur ... ach, vergiß es.« Sie widmete sich wieder ihrem Salat.
»Ich rede nur über die Arbeit, weil du mich danach gefragt hast. Normalerweise halte ich die Klappe und mach meinen Job. Wenn niemand mir traut, was soll ich machen?«
»Du bist Anfängerin, Cindy. So schnell kannst du es dir doch nicht mit allen verdorben haben.«
»Ich bin seit elf Monaten dabei. Das hat offenbar gereicht.« Sie lächelte, aber es war kein entspanntes Lächeln. »Gut, und jetzt bist du dran.«
»Sag mir erst, warum du meinst, daß die Jungs dir nicht trauen.«
»Dafür gibt's jede Menge Gründe. Angefangen damit, daß sie mir nicht an die Wäsche dürfen.«
»Okay. Das kauf ich dir ab. Alle Kerle versuchen das. Sobald sie kapieren, daß sie bei dir nicht landen können, werden sie's lassen.«
»Hoffentlich hast du recht.«
»Was ist mit den Frauen?«
»Ich war noch bei keinem Polzistinnentreffen. Zu viel zu tun. Vielleicht sollte ich mal hingehn.«
»Das solltest du.«
Sie seufzte. »Selbst die Frauen, die ich kenne ... die haben diesen bestimmten Blick. Ich glaube, sie mißtrauen mir, weil ich einen Collegeabschluß habe.«
»Soll das heißen, du hast keine Freunde? Gestern abend wirktest du ganz gesellig. Ein bißchen betrunken, aber gesellig. Ist da was passiert, wovon ich nichts weiß?«
»Nein, gestern abend lief s ganz gut. Hayley ist nett. Na ja, ich glaube, daß sie nett ist.« Sie warf Scott einen Blick zu. »Was war mit euch beiden?« Oliver schwieg.
Cindy lächelte breit. »Darauf krieg ich wohl keine Antwort?«
»Gut geraten.« Sie schenkte Wein nach. »Ich warte immer noch auf deine Aufklärung.«
»Hier geht's um allgemeine Ansichten, nicht um spezielle Einschätzungen.«
»Verstehe.«
»Du bist klug ...«
»Das hätte ich dir vorher sagen können.«
»Halt die Klappe, Decker, und hör zu. Du bist klug, fix im Denken und, wichtiger noch, du hast gute Reflexe. Kannst gut mit Menschenmengen umgehen. Ruhig, überzeugend - du läßt dir nichts anmerken, schreckst nicht zurück. Du hast eine gute Körperbeherrschung und viel Kraft, besonders für ein Mädchen ...«
»Muß an den Weizenflocken liegen.«
»Du bist verläßlich, pünktlich und scheinst keine größeren Laster zu haben. So wird es zumindest deinem Dad berichtet.« Er sah sie an. »Mir auch. Aber ich hör auch andere Dinge.« Cindy merkte, wie sich ihr Magen zusammenzog. Sie wollte etwas Schnippisches sagen, aber es blieb ihr im Hals stecken. »Weiter.«
»Draußen auf der Straße bist du kein Problem, aber auf dem Revier hast du diese >Ich bin was Besseres<-Haltung. Du bist patzig, Decker.«
»Nur zu deiner Information, für jemanden von einem Elitecollege ist mein Verhalten ganz normal.«
»Tja, Decker, dazu kann ich nur sagen, daß du nicht mehr im College bist.« Wieder beugte er sich vor. »Du machst die Leute stinksauer ... genau die, die du vielleicht eines Tages brauchst. Vielleicht solltest du es mal mit Alltagspsychologie versuchen.«
»Ja, ja.«
»Sei nicht so abweisend und hör einfach zu. Weil mir — genau wie deinem Daddy - dein Wohlergehen am Herzen liegt. Leben und Tod, Entscheidungen, die im Bruchteil einer Sekunde getroffen werden, analysiert man nicht, Cindy. Man legt einfach los und hofft das Beste. Und die meisten von uns kommen einem Kollegen zu Hilfe, ohne an das eigene Leben zu denken. Wir handeln instinktiv. Das ist eine Gefühlssache. Ich spring ins Feuer, klar. Aber ich spring sehr viel schneller, wenn ich denjenigen mag. Hör auf, ein Snob zu sein. Vor allem, weil dein Vater keiner ist, und er hätte viel mehr Grund zur Arroganz als du ... «
»Ich bin nicht arrogant!«
Oliver verstummte und sah sie an. Sie war verstört, versuchte aber, es zu verbergen. Er wußte, daß er zu hart war, obwohl alles stimmte, was er sagte.
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