Die Rache ist Dein
Sie stand auf. »Bringst du mich zu meinem Auto?«
»Natürlich«, erwiderte Oliver. »Und wenn wir Glück haben, schießt keiner auf uns.«
9
Der Morgen war anstrengend gewesen, aber es hatte sich gelohnt. Das schicke Kleid, das Stacy vor zwei Monaten entdeckt hatte, kostete jetzt nur noch die Hälfte. Schwarze, leichte Wolle, genau richtig für alle Jahreszeiten Südkaliforniens, außer vielleicht den Sommer. Und selbst dann konnte sie es abends tragen, weil viele Restaurants die Klimaanlage so kalt stellten, daß man in den schulterfreien Fummeln, die man trug, um sexy auszusehen, wie Espenlaub zitterte. Man tat so, als würde man sich bestens amüsieren, während die Nasenspitze gefror und die Speisekarte vom Atem beschlug. Egal, jetzt besaß sie das passende schwarze Kleid für jede Gelegenheit, und noch dazu zum halben Preis. Und außerdem zwei Kaschmirpullover, um siebzig Prozent herabgesetzt, weil vom letzten Jahr, aber die Farben waren neutral. Stacy liebte Pullover. Sie brachten ihre schlanke Figur zur Geltung, die sie sowohl ihren Genen als auch regelmäßigem Training verdankte.
Stacy verließ das Einkaufszentrum durch einen der Hauptausgänge, blinzelte in das schmutzige Sonnenlicht. Beladen mit ihren Paketen, suchte sie den riesigen Parkplatz nach ihrem roten BMW-Kabrio ab, das ihr ein reicher Kunde weit unter Wert verkauft hatte. Ein schickes kleines Ding, aber so niedrig, daß es zwischen all den Kleinbussen und aufgemotzten Geländewagen nur schwer zu finden war. Sie verfluchte ihre Dämlichkeit. Warum achtete sie nie auf die Schilder - rot vier, acht lila oder so. Das hätte ihr das Leben sehr erleichtert und ihre Arme weniger ermüdet. Konnte sie sich an irgendeinen Orientierungspunkt erinnern? Einen Baum, eine Mauer, die Rückwand eines Ladens oder auf welcher Seite des Boulevards sie geparkt hatte? Nichts. Schweiß lief ihr von der Stirn. Es war bewölkt, aber schwül, die feuchte Luft unangenehm drückend. Sie betastete ihr Haar, merkte, daß es sich wie Zuckerwatte anfühlte. Wo war das gottverdammte Auto?
Weiter durch dieses Labyrinth aus Stahl und Blech. Tu so, als wärst du im Lachkabinett auf dem Rummelplatz. Aber dann fiel ihr ein, daß sie diese Dinger nicht mochte.
Und immer weiter und weiter und weiter. So nahe dran, und doch so weit weg. Dann schlug sie sich an die Stirn, Döskopp, der sie war. Sie stellte die Tüten auf den Boden, wühlte in ihrer Handtasche, bis sie die Schlüssel fand, drückte auf den Panikknopf.
Gar nicht weit weg ertönte die Hupe des BMWs - tut, tut, tut, tut, tut. Ah, welch herrliche Musik. Stacy sammelte ihre Tüten ein und folgte dem lieblichen Klang, bis ihr roter BMW in Sicht kam. Wieder drückte sie auf den Panikknopf, und das nervige Tuten hörte auf.
Sie eilte zum Auto, stellte die Pakete ab, schloß die Tür auf. Gleich darauf spürte sie heißen Atem im Nacken. Als sie sich umdrehen wollte, wurde sie gegen die Motorhaube gestoßen, ihr Gesicht prallte auf das heiße Metall, die Schlüssel wurden ihr aus der Hand gerissen. Etwas Hartes drückte sich an ihre Schläfe.
»Nicht bewegen!« befahl eine Stimme. »Sag nichts, schrei nicht, tu absolut gar nichts. Wenn du dich bewegst, bist du tot. Hast du verstanden? Nick mit dem Kopf.«
Es gelang ihr zu nicken, obwohl ihr Kopf gegen die Motorhaube gequetscht war.
»Du bist hübsch«, verkündete die Stimme. »Du bist sogar sehr hübsch. Aber ich hab's eilig, du hast Glück. Runter auf den Boden, Schlampe!«
Stacy war verwirrt, ihr Entsetzen verstärkte die Verwirrung noch. Die Stimme zischte ihr ins Ohr: »Runter auf den Boden, hab ich gesagt! Mach schon, Schlampe!«
Hände krallten sich in ihren Nacken und stießen sie auf den splittbedeckten Asphalt. Ihre Stirn schlug auf den harten Boden, ihre Wange wurde aufgekratzt und blutete. Ein Fuß trat ihr auf den schmerzenden Kopf, drückte ihn runter.
Ich sollte schreien, sagte sie sich. Ich sollte wirklich schreien. Aber sie brachte keinen Ton heraus. Die Stimme sagte: »Wenn du eine brave kleine Schlampe bist und unten bleibst und ganz, ganz lange den Mund hältst, laß ich dich am Leben. Ein Pieps, und du bist tot. Ist das klar?« Glasklar, dachte Stacy.
Der Fuß gab ihren Kopf frei und trat ihr in die Rippen. Der Schmerz durchschoß sie, und ihre Augen brannten. Noch ein Tritt, diesmal in den Rücken. Sie stöhnte auf, fühlte sich vom Schmerz wie in einen Schraubstock gepreßt. Der Fuß stieß sie zur Seite. Die Autotür schwang auf und schlug
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