Die Rache ist Dein
Nuancen vertrauen, um zu wissen, ob sie glücklich ist oder nicht.«
»Kommt mir wie ein typischer Teenager vor«, brummelte Oliver.
Marge widersprach nicht, weil sie keine Ahnung hatte, was typisch war. Als sie die Dreizehnjährige adoptierte, hatte sie gewußt, daß es nicht einfach sein würde. Sie hatte Verhaltensprobleme befürchtet — schwere Probleme. Statt dessen bekam sie den Traum aller Eltern: eine brillante Schülerin voller Arbeitseifer und noch dazu total folgsam. Das perfekte Kind ... was Marge große Sorgen machte. Vega hatte ungewöhnlich hohe Wertmaßstäbe, gekoppelt mit der Angst, Gefühle zu zeigen. Selbst der Psychologe hatte seine Zweifel. Wie weit konnte man eine Dreizehnjährige ändern, die in einer so strengen Atmosphäre aufgewachsen war - wenn auch, körperlich gesehen, ohne Mißhandlungen? Vega bekam jede Menge Lob, Unterstützung und Preise für ihre schulischen Leistungen. Es war, als sei das Mädchen wegen seines überlegenen Intellekts zur Perfektion verdammt.
»Laß uns einpacken und heimgehen«, schlug Marge vor. »Nimmst du dir noch Arbeit mit nach Hause?« fragte Oliver. »Vielleicht les ich im Bett noch ein oder zwei Berichte.«
»Gut, dann nehm ich die von Bert und du die von Tom.«
»Einverstanden.« Marge sortierte die Akten auseinander. Toms waren blau markiert, Berts rot. Alles in der Bürokratie war farbig markiert. Nach fünf Minuten war sie fertig und stand auf. »Danke für alles, Cindy.«
Cindy gelang ein schwaches Lächeln. »Ich wünschte, ich könnte euch mehr helfen. Mir macht es nichts aus, Berichte zu lesen.«
Marge tätschelte ihr den Rücken. »Ich weiß, daß dir das nichts ausmacht, aber es ist keine gute Idee. Du willst zu viel in zu kurzer Zeit, Cindy. Konzentrier dich darauf, wo du bist, und hör auf, daran zu denken, wo du hinwillst. Jeder weiß, daß du verdammt gut bist. Du wirst deine goldene Dienstmarke schon sehr bald bekommen. Bis dahin mußt du alles lernen, was die Straße zu bieten hat.«
Cindy nickte. »Du hast recht. Ich sollte mich auf das Wesentliche konzentrieren.«
»Genau«. Marge küßte sie auf die Wange. »Wiedersehen, Schätzchen. Paß auf dich auf.« Sie wandte sich an Scott. »Kommst du?«
»Geh schon vor«, sagte Oliver. »Ich muß noch schnell aufs Klo.« Er fragte Cindy: »Und dein Badezimmer ist ... wo?« Cindy deutete in die Richtung.
»Ich geh schon mal«, sagte Marge. »Ich möchte so schnell wie möglich nach Hause.« Sie winkte ihnen zu und ging.
Cindy räumte auf, wußte, was kommen würde. Da ihr nichts Besseres einfiel, beschloß sie, Angriff sei die beste Verteidigung. Wenn sie sich richtig abscheulich aufführte, würde er aufhören, sich um sie zu sorgen. Kurz danach kam Oliver aus dem Bad, die Hände in den Hosentaschen. Diesmal fiel ihr das auf. Er hatte sich auch die Haare gekämmt. Einzelheiten, die sie bemerkte. Darauf kam es an.
»Erzählst du's mir freiwillig, oder muß ich dir alles aus der Nase ziehen?« fragte Oliver.
Sie wusch die Becher aus. »Was soll ich dir erzählen?«
»Ah ja, wir spielen also das alte Spiel. Okay, auch recht. Was ist vorhin in der Küche passiert, Cindy?«
»Ich weiß nicht, was du ... «
»Doch, du weißt genau, was ich meine.«
»Alles in Ordnung.« Sie drehte das Wasser ab. »Geh nach Hause.«
Aber er ging nicht. Er trat hinter sie, legte ihr die Hände auf die Schultern, sagte sanft und einschmeichelnd: »Erzähl mir, was passiert ist.«
Sie drehte sich um, sah ihm in die Augen. Ihre Stimme war klar und hart. »Nichts ist passiert. Aber wenn es dir so wichtig ist, kann ich mir ja was ausdenken.«
Er betrachtete sie stumm.
»Geh nach Hause«, wiederholte sie. »Ich bin müde. Ich will ins Bett. Aber das geht nicht, so lange du hier bist.«
»Warum lügst du mich an?« Weil ich dir nicht die Wahrheit sagen will. »Warum vertraust du mir nicht?« Weil du ein Lügner bist.
»Irgendwas geht hier vor«, sagte er. »Bilder sind verstellt, in deinem Streifenwagen tauchen merkwürdige Zettel auf ...«
»Der Zettel war von der Werkstatt.«
»Mit den Worten Nicht vergessen?« Oliver verzog das Gesicht. »Was sollst du nicht vergessen?«
»Die Schlacht um Alamo?«
»Sehr witzig, Cindy. Gut, noch mal von vorne. Heute abend ist was passiert. Wenn du es mir nicht sagst, kann ich dir nicht helfen.«
»Nichts ist passiert.« Und ich brauch deine Hilfe nicht, Junge. Sie drehte ihm den Rücken zu, machte sich mit dem Geschirr zu schaffen. »Du findest allein raus,
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