Die Rache ist Dein
wohl als nächstes passieren würde?
In den drei Minuten ihrer Abwesenheit hatten Marge und Scott sich ausgebreitet und ihren Couchtisch mit Beschlag belegt. Sie hätte ärgerlich sein können. Statt dessen fand Cindy es cool: eine Möglichkeit zuzuhören und zu lernen. Marge blätterte einen Papierstapel durch. »Ist Dexter Bartholomew wegen des Crayton-Mordes je befragt worden?«
»Wahrscheinlich.«
»Ich kann nichts darüber finden.«
»Ich helf dir«, bot Cindy an.
Beide sahen auf und starrten sie an ... als hätten sie vergessen, daß Cindy hier wohnte. »Ah, danke.« Marge reichte ihr einen Stapel. »Such nach einem Bericht mit dem Namen Dexter Bartholomew. Fang mit den blau markierten an. Das sind Websters Unterlagen.« Einige Minuten vergingen, dann rief Marge triumphierend: »Da ist er. Bert hat etwa einen Monat nach dem Mord mit Bartholomew gesprochen. Ich frag mich nur, warum er so lange damit gewartet hat.«
»Vielleicht war Bartholomew verreist«, erwiderte Oliver. »Er gehörte sowieso nicht zu den Hauptverdächtigen, weil er an Crayton verdient hat.«
»Sieht so aus, als hätte Bartholomew seine Geschäftsbeziehungen zu Crayton etwa zwei Monate vor dessen Tod abgebrochen.«
»Ungefähr zur gleichen Zeit, als auf uns geschossen wurde«, warf Cindy ein. Beide sahen sie an.
»War nur so ein Einfall«, sagte Cindy. »Hat wahrscheinlich nichts zu bedeuten.«
»Nein, gar nicht schlecht«, widersprach Oliver. »Möglicherweise wußte Bartholomew, daß was am Kochen war, daß es mit Crayton bergab ging, und hat sich deswegen zurückgezogen.«
»Wir sollten uns auf jeden Fall Craytons Aktivitäten kurz vor seinem Tod vornehmen«, meinte Marge.
»Okay, wir überprüfen Bartholomews Geschäfte mit Crayton. Dazu Lark und die Versicherung. Was noch?« Er sah zu Cindy. »Du wolltest nicht gerade Kaffee machen, oder?«
Sie stand auf. »Wenn du bitte sagst.«
Er lächelte sie an. »Bitte.«
Cindy senkte den Kopf. »Koffeinfreien?«
»Bitte.«
»Was ist mit dir, Marge?«
»Ich hätte gern ... « Marge zögerte plötzlich. »Wolltest du ins Bett?«
»Marge, ich bin seit zwanzig Jahren nicht mehr um neun ins Bett gegangen.« Cindy ging in die Küche und stellte die Kaffeemaschine an. »Bleibt, so lange ihr wollt. Ihr glaubt also, Elizabeth Tarkum hat tatsächlich irgendwie mit Crayton zu tun?«
»Kann sein«, sagte Oliver.
»Aber in welcher Form?« fragte Marge.
»Da gibt es viele Möglichkeiten.«
»Vielleicht hatte jemand was gegen Dexter Bartholomew wegen seiner früheren Geschäftsverbindungen zu Crayton und hat das an seiner Frau ausgelassen?« schlug Cindy vor. Oliver nickte. »Guter Gedanke.«
Bei dem Kompliment wurde Cindy rot. Um es zu verbergen, widmete sie sich rasch dem Kaffeekochen.
»Eine Botschaft für Dex auf dem Umweg über seine Frau«, sagte Marge. »Vielleicht sollten wir mit denen sprechen, die an Crayton verdient haben. Rausfinden, ob sie oder ihre Frauen bedroht worden sind.« Sie warf die Akten auf den Tisch. »Tom und Bert müssen einen Grund für die Reihenfolge ihrer Befragungen gehabt haben. Ich versteh ihn nur nicht.«
Es wurde still, die beiden Detectives blätterten in den Akten. Im Hintergrund gurgelte die Kaffeemaschine. Cindy zog den Vorhang vor dem Küchenfenster weg. Im Bruchteil einer Sekunde erhaschte sie einen flüchtigen Blick auf etwas ... einen verschwommenen Schatten. Sofort schoß ihr Adrenalin durch die Adern. Sie biß sich auf die Lippe, sagte nichts, hoffte, daß die beiden ihre geröteten Wangen und zitternden Hände nicht bemerken würden.
Natürlich merkten sie nichts, waren zu sehr in ihre Arbeit vertieft. So leise wie möglich riß Cindy ein Papiertuch von der Rolle, machte es unter kaltem Wasser naß und wischte sich das Gesicht ab. Das kalte Tuch tat gut. All dieses Gerede über Rache als Motiv regte ihre Phantasie nur übermäßig an. Oder war es nicht die Phantasie?
Natürlich war es das. Vergiß es, Decker. Du bildest dir was ein.
Außerdem, wenn sie sagen würde, was sie gesehen hatte, würde die beiden sofort Fragen stellen, das ganze Gebiet absuchen, die Uniformierten zu Hilfe rufen. Natürlich würden sie nichts finden, weil da längst nichts mehr war. Und was würden sie dann machen? Sie würden sie rund um die Uhr bewachen, ihr folgen, dauernd anrufen. Und es natürlich ihrem Vater sagen. All diese unerwünschte Aufmerksamkeit würde ihr die Arbeit als Polizisten praktisch unmöglich machen. Denn wie sollte sie arbeiten mit drei
Weitere Kostenlose Bücher