Die Rache ist Dein
ab. Wen anrufen? Wen anrufen? Nur ein kurzer Blick.
Mit dem Lauf der Waffe schob sie die Tür weiter auf. Gestank schlug ihr entgegen. Nach diesem Abend hatte sie gedacht, nichts mehr riechen zu können, aber das stimmte nicht. Noch ein Schubs mit der Waffe. Jetzt war der Spalt fast zwanzig Zentimeter breit. Sie hielt inne, lauschte, schaute, konnte nichts sehen. Ihre Wohnung war dunkel.
Kein Geräusch, nur ihr Atem. Schweiß lief ihr von der Stirn, an der Nase entlang in den Mund. Cindy leckte das dreckige, salzige Wasser ab. Ihre Achseln waren schweißnaß, zwischen ihren Beinen war es feucht.
Hatte sie in die Hose gepinkelt? Nein, nur Schweiß ... viel Schweiß.
Sie drückte mit der Waffe die Tür noch etwas weiter auf. Jetzt konnte sie trotz der Dunkelheit etwas erkennen. Ein heilloses Durcheinander ...
Verschwinde!
Aber das wäre Schwäche. Cindy weigerte sich, Schwäche zu zeigen, sogar sich selbst gegenüber. Ein winziger Schritt vorwärts, aber immer noch einen Fuß draußen, für alle Fälle. Mit dem Lauf der Waffe knipste sie das Wohnzimmerlicht an. Ein Sekundenbruchteil, bis sich ihre Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten. Dann wünschte sie, sie hätten es nicht getan. Das war mehr als ein Durcheinander. Ihre Wohnung, ihre Zuflucht ... Jemand hatte sie in einen Abfallhaufen verwandelt, eine Müllkippe aus Trümmern und Scherben, aus Dreck und Müll. Ein ekelhafter Altar für einen dämonischen Gott, errichtet von einem Wahnsinnigen, einem entsetzlichen, grausamen, sadistischen ...
Tränen schössen ihr in die Augen. Ihr Verstand setzte aus. Sie konnte nicht mal denken, so erstarrt war sie. Ihr Selbst war geschändet worden, verwüstet von einem zweibeinigen wilden Tier. Sie sackte zusammen, lehnte sich haltsuchend an den Türrahmen, die Waffe noch in der zitternden Hand.
Laß mich jetzt nicht in Stich, brüllte sie sich stumm an. Vielleicht ist noch jemand hier.
Cindy schluckte, zwang sich zum Handeln, packte die Dienstwaffe mit beiden Händen, stand breitbeinig da. Ihr Blick schweifte durch das Zimmer, über den Boden, um zu sehen, wie sie den Bücherhaufen, zerrissenen Fotos, Müll und zerbrochenem Glas ausweichen konnte — einem gewaltigen, stinkenden Haufen!
Denk nach!
Wie sich bewegen, ohne zu stolpern? Wo Deckungen finden, wenn nötig? Die Couch stand noch ... oder vielmehr der Rahmen. Die Rückenlehne war heil geblieben, aber mehrere Kissen waren aufgeschlitzt.
Mach voran! Überprüf die Wohnung!
Zuerst das Wohnzimmer, dann die Küche, dann Schlafzimmer und Bad. Der Vorteil einer kleinen Wohnung: weniger Räume zu überprüfen, wenn jemand sie verwüstet. Methodisch schob sie sich vorwärts, schaute in die offenen Zimmertüren, wich vorsichtig den Haufen aus Abfall und Dreck aus. In der Küche erstarrte sie erneut. Töpfe, Pfannen, Lebensmittel, Müll, zerbrochenes Geschirr, verstreutes Besteck, Pfützen von Milch, Saft und vielleicht Urin, soweit sie das sehen konnte. Auf jeden Fall roch es so, als ob jemand gepißt hätte.
Aber ihre Küchenuhr war noch heil. Laut der Katze mit dem pendelnden Schwanz war es zwanzig nach eins.
Mit dem Handrücken öffnete sie die Kühlschranktür, sah das Durcheinander aus klebrigen Nahrungsmitteln, zerbrochenen Eiern und verschütteten Getränken. Sie schloß sie sofort und öffnete die Schränke: Der Wahnsinnige hatte die Höflichkeit besessen, ihr wenigstens etwas Geschirr zu lassen — etwa die Hälfte war ganz, der Rest lag zertrümmert auf dem Boden. Zurück ins Wohnzimmer, Scherben knirschten unter ihren Füßen, die Tränen liefen ihr über die Wangen. Langsam bahnte sie sich den Weg ins Schlafzimmer, jeder Schritt schmerzte, weil sie wußte, was sie vorfinden würde. Sie knipste das Licht an, sah, daß es noch schrecklicher war, als sie gedacht hatte. Ihre Kleider, ihre Bilder, die Parfümflaschen, die Kämme und Bürsten, der Schmuck, das Make-up, Schuhe, Unterwäsche, Socken und Strumpfhosen — alles wahllos durcheinander geworfen. Die Bettwäsche von der Matratze gezerrt, die Decke aufgeschlitzt, die Füllung überall verstreut. Auf der Matratze ein dampfender Haufen, der wie Hundescheiße aussah.
Cindy schluckte die Tränen hinunter, biß sich auf die Lippe, um das Zittern zu unterdrücken.
Die Schubladen halb offen, die Schranktür ... halb zu.
War jemand im Schrank ?
Voller Beklommenheit näherte sie sich dem Schrank. Sie schwankte nicht, aber ihre Schritte waren alles andere als leise. Jeder Schritt verriet sie.
Denk einfach,
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