Die Rache ist Dein
»Na ja, du kannst dir vorstellen, wie mir zumute war.«
»Wo warst du?« fragte Cindy leise.
»Wie bitte?«
Ihre Wangen waren feucht und feuerrot. »Du sagst, du warst hier in der Gegend.« Sie räusperte sich. »Wo warst du?«
»Ich war in der Nähe ... einfach so. Was soll das? Ich war ... « Wieder lächelte er. Und wieder zuckte sein Mund. »Du glaubst doch nicht, daß ich ... « Er verstummte.
Langsam ging sie auf ihn zu, Schritt für Schritt. Bis sie vor ihm stand. Bis sie jede Pore, jeden Schweißtropfen auf seinem Gesicht sehen konnte. Bis sie den salzigen Schweiß fast schmecken konnte. Bis sie sein Unbehagen in seinem säuerlichen Atem riechen konnte. »Ich weiß, wo du warst«, flüsterte sie. »Du warst bei Hayley Marx. Du hast sie gefickt, stimmt's? Warum hast du nicht gleich gesagt >Ich war in Hayley Marx' Wohnung und hab sie gefickt !< Häh? Warum nicht?« Oliver wurde rot. Er lachte leise, zuckte die Schultern, wich ihrem Blick aus. »Okay. Ich hab Hayley Marx gefickt.«
Sie holte aus und schlug ihn ins Gesicht. »Du Dreckskerl! Du verdammter Schweinehund!« Wieder schlug sie zu, traf seine Nase, die sofort zu bluten begann. Statt zurückzuschrecken, wurde sie noch wütender. Sie versetzte ihm einen Boxhieb in die Schulter. Dann trommelte sie mit den Fäusten auf ihn ein, bis ihr die Hände weh taten. Er wehrte sich nicht. »Du widerlicher, abscheulicher Hurensohn!«
Das Telefon klingelte. Erschrocken ließ sie von ihm ab, machte einen Satz rückwärts, schlang die Arme um sich. »O Gott, entschuldige, Scott. Entschuldige. Es tut mir so ... «
»Ist schon gut«, krächzte er, hielt sich die Nase. »Dein Telefon klingelt.«
»Es tut mir so leid ... «
»Cindy, dein Telefon.«
»O Gott, o Gott, o Gott.«
»Pst ...«
»So leid.«
»Ruhe!« blaffte Oliver. »Ich versuch mitzukriegen, wer dran ist ... « Er wischte sich das Blut mit dem Hemd ab. »Dein Vater. Ich geh ...«
»Nein!« Sie packte ihn am Arm. »Nein, nein, nein!«
»Er will wissen, wo du bist.«
»Nein!« Cindy grub ihm die Fingernägel in den Arm. »Wenn du was von dem hier sagst, weiß er , daß ich wegen des Autos gelogen habe.«
Oliver riß sich los, rieb sich den Arm. »Was für ein Auto? Wovon redest du?«
»Dann muß ich ihm sagen, daß der Camry mich verfolgt hat, statt ich ihn. Und dann weiß er, daß ich gelogen habe. Und er wird mir nie, nie wieder vertrauen ... und ich hab eine Aussage unterschrieben.«
»Der Camry hat sich an dich drangehängt?« fragte Oliver. »Du hast deinem Dad nicht gesagt, daß dich ein Auto verfolgt hat?«
»Du verstehst das nicht!« jammerte sie. »Ich konnte nichts sagen, Scott. Wenn ich was gesagt hätte, hätte er übernommen und »Cindy, du mußt.«
»Nein!«
»Dann laß mich ... «
»Nein, nein, nein! Du darfst ihm das nicht sagen. Du mußt es mir versprechen!«
»Uns bleibt keine andere Wahl, Cindy.«
»Dann weiß er, daß du hier bist.«
»Es ist mir scheißegal, ob er das weiß, Cindy. Du brauchst ihn, Baby. Und ich brauche ihn. Ich brauch seine professionelle Hilfe.«
»Du darfst ihm nichts sagen!«
»Ich muß!« Wieder holte sie aus und wollte auf ihn eindreschen. Aber diesmal packte er ihre Handgelenke. »Hör auf, mich zu schlagen!«
»Laß mich los!« schrie sie. »Laß mich los, laß mich ... « Plötzlich sank sie an seine Brust, begann zu weinen — tiefe, unkontrollierbare Schluchzer. Oliver ließ ihre Handgelenke los, nahm sie fest in die Arme.
»Ist schon gut!«
»Nichts ist gut!«
Sie hatte recht. Nichts war gut. Wut packte ihn. Wer zum Teufel war das gewesen? »Es tut mir so leid ... « Wieder klingelte das Telefon. Oliver zuckte zusammen, machte einen Schritt zurück, ließ Cindy los. Schwitzte, hatte ein Zucken im Augenlid. Ganz zu schweigen von seiner Nase, aus der immer noch Blut rann. Doch es gelang ihm, ruhig zu sprechen. »Das wird noch mal dein Vater sein. Er macht sich Sorgen, ob du es bis nach Hause geschafft hast. Wenn du nicht rangehst, ruft er die Nationalgarde. Oder kommt selbst her.«
»Ich rede mit ihm.«
»Du bist nicht in der Verfassung ... «
»Mir geht's gut! Ich muß nur ein bißchen ruhiger werden.« Das dritte Klingeln. »Ich schaff das!« Das vierte. Jetzt oder nie. Sie griff nach den Hörer. »Mir geht's gut. Hör auf, dir Sorgen zu machen, Daddy.«
Langes Schweigen am anderen Ende. Dann sagte Decker: »Du hörst dich aber gar nicht so an.«
»Ich bin nur müde.«
»Du hast sehr lange für den Heimweg gebraucht.«
Ihre
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