Die Rache. Thriller.
müssen.«
»Sie haben gesagt, wir sollen uns nicht vom Fleck rühren.«
»Ja, aber sollen wir das wirklich?«
Karen dachte einen Augenblick nach. Sie wollte verant-wortungsvoll handeln, sie wollte sich gut benehmen. Sie wollte, daß ihre Eltern stolz auf sie waren. Lauren sah ihre Schwester aufmerksam an. »Ich weiß, was du denkst«, flüsterte sie. »Ich weiß, was sie gesagt haben. Aber wir sind hier, um zu helfen! Er ist auch unser Bruder.«
Karen nickte. »Ich glaube, du hast recht.«
Beide Mädchen entsicherten ihre Waffen. Sie beugten sich vor und beobachteten das Haus.
»Kannst du es fühlen?« flüsterte Lauren plötzlich.
»Was?«
»Ich weiß nicht. Es ist, als wehte der Wind stärker oder als zöge eine Wolke über uns weg oder so etwas.«
Karen nickte. Sie lächelte. »Weißt du, in der Schule würden sie die ganze Geschichte nie glauben.«
Lauren kicherte beinahe. »Junge, das stimmt.«
Aber der leicht amüsante Augenblick verging schnell in der überwältigenden Stille des Morgens. Das Schweigen breitete sich wieder aus, und mit ihm eine unheimliche Angst vor der Ungewißheit. Sie blieben Schulter an Schulter stehen und starrten auf das Farmhaus. Lauren griff nach der Hand ihrer Schwester. Es war, als flösse eine elektrische Ladung durch sie hindurch. Sie konnten den Herzschlag des anderen fühlen, den Atem des anderen schmecken.
»Es wird alles gut werden«, sagte Lauren leise.
»Ich weiß. Ich wollte nur, etwas würde geschehen«, erwiderte Karen.
Sie warteten, während Angst und Zuversicht einander abwechselten.
Als Megans Fuß auf der eisglatten untersten Stufe der Veranda ausgerutscht war, war ihre Hand, in der sie die Pistole hielt, hart gegen die Treppe geschlagen. Der Lärm hatte sie augenblicklich anhalten lassen. Sie fand, daß es sich wie eine Explosion angehört hatte. Statt weiter die Treppe bis zur Tür hinaufzulaufen, hatte sie sich zurückgeduckt und unter der Treppe verkrochen, um abzuwarten, ob jemand sie gehört hätte.
Das kratzende Geräusch der sich öffnenden Haustür lähmte ihre Willenskraft. Starr, die Pistole in der Hand, versuchte sie sich unter die Veranda zu zwängen, damit man sie nicht von oben sähe.
Als sie den ersten knarrenden Schritt hörte - fast über ihr -, zitterte sie. Aber sie hob die Waffe und dachte: So wird es nicht enden.
Sie kämpfte gegen die Angst an, die sie zu lahmen versuchte, indem sie an Tommy dachte. Ihr Herz schlug rascher, und sie spürte, daß Adrenalin durch ihren Körper schoß. Ich komme, verdammt. Ich komme jetzt und hole dich.
Sie spannte ihre Muskeln an, als sie Schritte auf ihr Versteck zukommen hörte.
Duncan hatte sie ausrutschen sehen, den leichten Bumslaut gehört und geflucht. Er hatte auch gewartet, die Augen auf seine Frau gerichtet. Sie kam ihm wie ein kleines Tier vor, das sich gegen die Angst zusammenduckte.
Der Anblick der Tür, die sich auf die Veranda öffnete, gab ihm vor Entsetzen einen Stich ins Herz.
»Oh, mein Gott«, flüsterte er. »Sie haben sie gehört.«
Einen Augenblick lang war ihm, als hätte ihm jemand all seine Kraft ausgesaugt. Er kam sich leicht, fast gewichts-los vor.
Dann sah er Gutierrez auf die Veranda hinaustreten.
»Oh, mein Gott«, sagte er wieder. »Megan - paß auf.«
Seine Stimme war ein bloßes Flüstern.
Er bemerkte den Revolver in Ramons Hand und sah ihn einen, dann noch einen Schritt auf die Nische zugehen, in der seine Frau sich zusammengekauert hatte.
Er versuchte sein rasendes Herz zu beruhigen und wußte: Es bleibt mir keine Wahl.
Er wollte schlucken, aber sein Mund war völlig trocken.
Eine Erinnerung blitzte ihm durch den Kopf: Er konnte die Straße in Lodi sehen und wie er selbst zögerte und in dem Lieferwagen festsaß, als berühre er den Rand eines dunklen Meeres und hätte Angst, sich hinunter in die Tiefe ziehen zu lassen. Diesmal konnte er nicht warten, nicht wieder zögern und alles wegen eines Zweifels verlieren.
»Unten bleiben, Megan«, flüsterte er.
Er holte tief Luft und senkte die Wange auf den Gewehrschaft. Seine Welt wurde plötzlich ganz winzig, lag hinter dem schwarzen Visier, jenseits des Hofs. Über dem Kopf seiner Frau und genau auf Ramon Gutierrez’ Brust. Er sah Ramon noch einen Schritt gehen und anhalten, nur noch einen oder zwei Fuß vom Rande des Vorbaus entfernt, unter dem seine Frau sich zu verbergen suchte.
Er atmete langsam aus.
»Es tut mir leid«, flüsterte er. Der Druck in seinem Finger gegen den Abzug schien
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