Die Rache. Thriller.
nickte. Der Richter schwang die Beine vom Bett und ergriff den Metallstab.
»Jetzt«, sagte er. »Hilf mir bitte.«
Sie hörten einen zweiten Schuß.
»Schnell, Tommy. Genau wie wir es besprochen haben!«
Er war voll Kraft, ein Ziel war da; er erinnerte sich an hundert entsetzliche, lähmende Augenblicke in der Schlacht, wenn er trotz der sterbenden Menschen und des Grauens gehandelt hatte. Es war, als hätten seine Knochen und Muskeln das Alter abgestreift. Er fühlte die anmaßen-de Kraft der Jugend in seinen Gliedern.
Der Richter hob eines der Eisenbetten hoch und zerrte es durch den Raum. Mit großem Schwung und Krachen ließ er es die Treppe hinunter gegen die Dachkammertür fallen. Dann trat er zurück und packte Tommys Bett.
»Jetzt deins!« Er stieß es ebenfalls die Treppe hinunter und blockierte damit den Eingang noch weiter.
Tommy war schon angezogen, saß an der Wand und stieß mit dem Eisenstab vom Bett gegen die gelockerten Bretter. Richter Pearson sprang ihm zur Seite. Er nahm das Stück des Bettgestells und schob es unter eine der Planken. Er holte tief Luft, dann riß er an dem Hebel, so fest er konnte. Ein krachendes Geräusch ertönte und das Knacken des splitternden Holzes. Das erste Brett brach los wie ein zerschmetterter Knochen. Der Richter schrie einmal auf; ein Splitter hatte seinen Daumen geritzt, und Schmerz durchschoß seinen Arm. Aber er achtete nicht darauf und hackte statt dessen mit dem Metallstück in den freiliegenden Mörtel. Er zerfiel in einer Staubwolke. Er hieb wieder in die Öffnung hinein und dann ein drittes Mal. Dann trat er außer Atem zurück, bereit, noch einmal dreinzuschlagen, als er Tommy rufen hörte.
»Großvater, wir sind durch! Ich kann den Himmel sehen!«
Er biß die Zähne zusammen, Alter, Zweifel, Krankheit waren vergessen, er ging gegen die Wand vor, riß und schlug den zerbröckelnden Verputz und das morsche Holz mit einem mächtigen Siegesschrei heraus.
Duncans erster Schuß hatte Ramon wie der Schlag eines Schwergewichtboxers in die Brust getroffen und zurück-geworfen, so daß er krachend gegen die Haustür fiel und dort wie festgenagelt hängenblieb. Er zuckte einmal wie eine spastische Marionette. Dann rutschte er langsam in eine sitzende Position hinab, fast als ob er sich ausruhen wollte. Er starrte auf den Hof hinaus, sah noch immer nichts und fragte sich, was denn mit ihm geschehen sei. Er fragte sich auch, weshalb die Kälte verschwunden war: Das war sein letzter Gedanke.
Duncans zweiter Schuß explodierte im Gesicht des Toten.
Megan erhob sich, nachdem der zweite Schuß aus dem Gewehr ihres Mannes verhallt war, und starrte entsetzt Ramon Gutierrez’ mit Blut und Hirn verschmierten Leichnam an. Sie wich einen Schritt zurück und wollte bei dem alptraumhaften Anblick schreien.
Duncan erhob sich hinten an der Mauer.
Einen Augenblick lang war wieder alles still, und Schweigen herrschte in dem von Rauhreif bedeckten Hof.
Er spürte, wie es ihm trocken in der Kehle würgte, als er seine Frau zögern sah, und er krächzte so laut er konnte:
»Geh! Geh, Megan! Geh! Jetzt!«
Duncan kletterte über die Mauer, wobei er fast das Gewehr fallen ließ. Er packte es fester, richtete sich auf und rannte stolpernd auf sie zu, wobei er immer wieder rief: »Geh! Los, geh! Jetzt!«
Seine Frau drehte sich verwirrt nach ihm um. Sie sah ihn wild gestikulieren und auf die Haustür zeigen. Ihre Augen begegneten sich für einen Moment, und er sah sie nicken.
Sie drehte sich wieder zu der Leiche auf der Veranda um und schrie vor Wut und Angst und wilder Entschlossenheit.
Mit der Waffe in der Hand sprang sie die Verandatreppe hinauf und lief an Ramons Leichnam vorbei ins Haus.
»Sie!« schrie Olivia, und es klang wie ein Lachen.
»Wer?« brüllte Bill Lewis und packte seine Maschinenpistole.
»Wer wohl?« erwiderte Olivia und entsicherte ihre MP.
Sie stieß den Lauf klirrend durch die Fensterscheibe und sah gerade, wie Duncan auf das Haus zulief.
»Du übernimmst die Treppe!« schrie sie Lewis gellend an.
Er zögerte.
»Los, du Idiot, bevor sie näher kommen!«
Er wirbelte herum, sprang durch die Schlafzimmertür und tappte in das Innere des Farmhauses.
Karen und Lauren hatten die Schüsse gehört und schnappten nach Luft.
In dem Schweigen, das darauf folgte, empfanden sie beide eine panische Angst, wie in dem ersten Augenblick, wenn ein Auto auf einer regennassen Straße ins Schleudern gerät.
»Oh, mein Gott«, flüsterte Lauren. »Was ist
Weitere Kostenlose Bücher