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Die Rache. Thriller.

Die Rache. Thriller.

Titel: Die Rache. Thriller. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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ungeheuer groß, fast schmerzhaft. Er zog ihn langsam zurück und schoß. Der Knall schien die porzellanene Luft zu zerschmettern.
    Olivia wurde aus einem Gefängnistraum gerissen. Sie hatte wieder in ihrer Zelle im Hochsicherheitstrakt gesessen, nur wollte die Gittertür diesmal nicht richtig schließen. Sie hatte sie nach Belieben aufmachen können.
    Im Traum konnte sie die Kälte des Stahls fühlen und das rasselnde Geräusch hören, als die Gittertür zurück-schwang. Sie hatte sich über den Laufsteg vor den Zellenreihen losgehen sehen, allein und frei gehen, wohin sie wollte. Eine ungeheure Glückseligkeit hatte sie erfaßt, eine Leichtigkeit, fast als ob ihre Füße nicht mehr die Erde zu berühren brauchten, als ob sie fliegen könnte. Im Traum war sie freudig erregt rasch von der Zelle fortgegangen, als sie einen Donnerschlag hörte, und einen Moment lang dachte sie, ein Gewitter entlüde sich über ihrem Kopf.
    Dann stolperte sie aus dem Schlaf in ein plötzliches, schreckliches Erwachen.
    Sie richtete sich ruckartig im Bett auf, die morgendliche Kälte nicht achtend, und horchte angestrengt.
    »Was war denn das, zum Teufel?« verlangte sie zu wissen, und ihre Stimme klang schrill.
    Bill Lewis war neben ihr aufgewacht und streckte den Kopf empor. Im schwachen Frühlicht wirkte seine Haut blaß, beinahe durchsichtig. Seine Augen waren weit geöffnet, seine Stimme zitterte weinerlich in fast panischer Angst:
    »Ich weiß nicht. Was war das? Ich kann’s nicht sagen, ich hab’ geschlafen.«
    »Es klang wie ein Schuß.«
    »Wo ist Ramon?«
    »Ich weiß nicht. In seinem Zimmer?«
    »Ramon? Ramon! Wo steckst du?« rief Olivia.
    Niemand antwortete. Olivias einziger Gedanke war: Er ist raufgegangen und bringt sie um. Sie schwenkte die Beine aus dem Bett und stand nackt daneben. Dann müßte aber noch ein Schuß kommen. Dann müßten Schreie zu hören sein. Dann müßte er mir antworten. Was ist bloß los?
    »Was macht er?« wollte Bill plötzlich wissen, die Worte gerieten ihm in seiner Angst durcheinander. »Ist er - verdammt - wo ist er hin? Was macht er denn? Ich versteh’ nicht - das gehört nicht zum Plan.«
    Bill Lewis sah Olivia mit wilden Augen an.
    »Das ist nicht oben«, schrie Bill. »Das kommt von draußen. Ramon!«
    Olivias Gedanken rasten verwirrt durcheinander. Sie schrie sich selbst Befehle zu: Denken! Handeln! Sie schnappte sich eine Maschinenpistole vom Nachttisch.
    Plötzlich war eine wunderbare Ruhe in ihr, ein friedliches Gefühl, fast wie das Entzücken eines zufriedenen Kindes, als wäre sie wieder in ihren Traum zurückgekehrt. Sie spürte, wie sie am ganzen Körper errötete, rot glänzte in der plötzlichen Wärme ihrer Nacktheit.
    »Was ist los?« schrie Bill.
    »Komm«, sagte Olivia ruhig. »Das ist das Ende.«
    Sie ging durch das Badezimmer zum Fenster und sah hinaus. Sie hörte, wie Lewis hinter ihr sich damit abmühte, in seine Hosen zu steigen, und über seine steif gewordenen Jeans fluchte, und sie dachte, wie albern, wie absurd das war, und lachte laut.
     
    Der Knall des ersten Schusses riß auch Richter Pearson aus einem Traum. Er war am Strand gewesen, umgeben von seinen Enkelkindern, und alle hatten sie im Sand gespielt. Die heiße Sonne hatte ihn gewärmt, und er hatte die Augen im grellen Licht zusammengekniffen und geblinzelt. Er konnte Megan und Duncan auf den blaugrünen Wellen reiten sehen. Er hatte sich umgedreht und mit seiner Frau gesprochen, die neben ihm saß. »Aber du bist doch tot«, hatte er ihr gesagt.
    »Und ich bin allein.« Sie hatte gelächelt, den Kopf geschüttelt und erwidert: »Niemand stirbt jemals wirklich. Niemand ist je wirklich allein.« Aber dann, als er sich von ihr abwandte, war seine Familie fort, und der Strand war der rotgefleckte Sand von Tarawa, und er war wieder ein erschrockener junger Mann. Er hörte einen einzigen Schuß über seinen Kopf jagen, und er wühlte sich in den Sand und drückte sein Gesicht tief hinein, als die Kugel in der Luft pfiff, nur um ihn wieder zu heben und im Traum zu sagen: »Aber das war die Wirklichkeit.«
    Und so wurde er wach.
    Er drehte sich schnell zu Tommy herum, der kerzengerade aufgerichtet in seinem Bett saß.
    »Großvater!«
    »Tommy, es geht los. Mein Gott, sie kommen!«
    »Großvater!« Tommy sprang von seinem Bett herunter, dem Richter in die Arme.
    Richter Pearson drückte ihn fest an sich, aber dann stieß er ihn zurück.
    »Jetzt, Tommy, jetzt! Wir müssen uns retten.«
    Tommy schluckte und

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