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Die Rache. Thriller.

Die Rache. Thriller.

Titel: Die Rache. Thriller. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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auch noch etwas Scham, eine Art Wut auf sich selbst, weil Aufregung und Faszination der Angelegenheit die Tatsache, daß sie sich nur um ihren Großvater und Bruder Sorgen machen sollten, an den Rand zu drängen drohte. Die Gefahr, in der die beiden schwebten, schien aber so seltsam und unbegreiflich, daß die Aufregung doch das beherrschende Element ihrer Gedanken blieb. Sie hockten sich in die Küche, verbittert über die Zumutung, daß sie in so einem Augenblick Kaffee kochen und Essen machen sollten, und fragten sich, wie jemand da auch noch Hunger haben konnte und warum sie aus dem Zimmer gehen sollten und ob sich jetzt ihr ganzes Leben verändern würde, aber am meisten, was nun als nächstes geschehen würde.
    Karen und Lauren kochten Wasser für den Kaffee und legten ein paar Essensreste auf eine Platte. Durch die Küchentür konnten sie ihre Eltern heftig streiten hören, aber nicht genau verstehen, was sie eigentlich sagten. Wie sie wußten, gehörte es sich nicht, daß man andere Leute belauschte, aber wenn sie sich scheinbar zufällig neben die offene Tür stellten, war das nicht so schlimm.
    »Irgendwas, ob sie uns die Wahrheit sagen sollen«, flüsterte Karen. »Was könnte das sein?«
    »Keine Ahnung. Glaubst du, daß sie’s uns sagen?«
    Karen zuckte die Achseln. »Sagen wollen sie uns nie irgendwas, aber schließlich verplappern sie sich doch immer irgendwann.«
    »Meinst du, die haben irgendein schreckliches Geheimnis, das sie vor uns verstecken?« fragte Lauren ganz außer Atem. Sie war die romantische von den beiden.
    »Mom und Dad?« erwiderte Karen schroff. Sie war die praktische, und ihre Stimme klang wie die ihres Vaters in seinem geschäftsmäßigsten Bankerton. »Komm! Guck sie dir doch an, um Himmels willen. Sehen sie so aus?«
    »Ach«, sagte Lauren ziemlich unberührt, »alles ist möglich. Wir kennen sie überhaupt nicht. Sie reden kaum mal über die Zeit vor unserer Geburt.«
    »Sie waren Hippies, du weißt doch, bevor Dad angefangen hat, in der Bank zu arbeiten. Frieden-Liebe-Blumen.
    Erinnere dich an das Foto, wo Dad die langen Haare hat und die Großmutterbrille und Mom das Kleid mit den Blumen drauf …«
    »… und keinen BH.«
    Sie lachten.
    Sie waren eineiige Zwillinge; gertenschlank mit musku-lösen Armen wie ihr Vater und dem rotbraunen Haar, den blauen Augen und den gymnastischen Fähigkeiten ihrer Mutter. Sie spielten Fußball und Basketball, mischten im Theaterklub mit und quälten sich mit Fremdsprachen herum. Karen hatte so eine Art, die Mundwinkel herabzu-ziehen; Lauren zog die Augenbrauen hoch. Karen strich sich das Haar mit beiden Händen aus dem Gesicht und schüttelte es dann wie wild. Lauren pflegte sich wie die Karikatur eines alten Philosophen über das Kinn zu streichen, wenn sie nachdenklich war. Beide trugen sie ein Goldkettchen um den Hals mit einem Silberblättchen in der Mitte, auf das ihr Name eingraviert war. Das stellte eine Konzession an alle dar, die nicht zur Familie gehörten; ihren Eltern war es nie schwergefallen, sie voneinander zu unterscheiden. Duncan hatte oft den Eindruck, daß es einfach nur die Kopfhaltung oder ein kleiner Unterschied in ihrer Stimmlage waren, die ihm sagten, wer von beiden sich an ihn wandte. Megan war nie auch nur auf den Gedanken gekommen, daß ihr diese Gleichheit Anlaß zur Verwechslung geben könnte. Es waren ihre Kinder, und sie hätte sie sofort aus einem Spiegelkabinett herausgefunden.
    Allerdings gaben sie gern ihren Freunden und möglichen Freiern gegenüber an, die ihre Ähnlichkeit verwirrend fanden. Die Zwillinge hatten ihr Vergnügen daran.
    Obwohl sie sich in ihren Klassen vom Kindergarten über die Grundschule bis zur High School immer sehr integriert gefühlt hatten, gaben sie sich doch letzten Endes am liebsten mit sich selbst ab. Megan hatte festgestellt, daß die wenigen Freunde, denen sie sich wirklich anvertrauten, fast immer zu den einsamsten gehörten; es waren Einzelkinder, zu denen sie sich hingezogen fühlten.
    »Meinst du, Tommy ist okay?« fragte Lauren.
    In ihrem gleichförmigen Leben hatte es eine Konstante gegeben, die alle anderen übertraf: ihren Bruder.
    Sie hatten oft über jenen Augenblick vor vielen Jahren gesprochen, als ihre Mutter zu ihnen kam und ihnen erklärte, sie wisse nicht, was mit Tommy los sei, aber er sei anders. Auch ihr Vater hatte mit ihnen darüber gesprochen. Er hatte sie einmal zum Essen und ins Kino eingeladen, dann nach Haus gebracht und mit ihnen im Wagen gesessen,

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