Die Rache. Thriller.
er sich auf gar nichts vorbereitet.
Jede Minute hatte 60 Sekunden, das gilt für alle Menschen auf der Welt, dachte er. Die Zeit vergeht nicht schneller oder langsamer bei verschiedenen Leuten. Aber er glaubte es nicht.
Alles ist okay, sagte er sich.
Sie wird in Kürze anrufen.
Tommy geht es gut. Er ist verzweifelt und erschreckt, aber es geht ihm gut.
Der Richter ist wütend und aggressiv, aber es geht ihm gut.
Sie läßt mich nur ein bißchen schmoren, weil sie mich unvorbereitet und durcheinander antreffen will.
Alles wird all right sein.
Er schaukelte sich in seinem Sessel vorwärts und rück-wärts, und das Quietschen der Sprungfedern diente ihm als rhythmischer Hintergrund für seine Gedanken. Er starrte auf seinen Schreibtisch, sein Telefon. Es war eines von diesen neuen Modellen, ganz knappes italienisches Design. Er wünschte sich einen von diesen alten Telefonapparaten, einen von diesen mit den Wählscheiben, die klickediklickediklick machten, wenn man sie drehte, und die anständig laut läuteten und nicht diese winzigen Summtöne von sich gaben, an die er sich gewöhnt hatte.
Sie sind am Leben. Sie müssen es sein.
Er hörte ein leichtes Klopfen an der Tür, sie sprang auf, und seine Sekretärin stand da.
»Mr. Richards, es ist fast eins, und ich gehe mit noch ein paar anderen essen. Sind Sie sicher, daß ich Ihnen nichts mitbringen soll?«
»Danke, Doris, nein. Bitte sagen Sie dem Mädchen in der Telefonzentrale, daß ich hier bin und daß sie alle Gespräche durchstellen soll.«
»Ja, gut. Aber wollen Sie sicher nichts? Ich meine, mir macht es gar nichts aus, und Sie sehen ein bißchen blaß aus.«
»Nein, danke. Ich sehe Sie nachher wieder.«
»Sie sollten wirklich nach Hause gehen und sich erholen.«
»Danke Ihnen, Doris.«
»Also gut, aber ich habe Sie gewarnt.«
»Ich danke Ihnen, Doris.«
»Aus einer Grippe kann eine Lungenentzündung werden.«
»Ich danke Ihnen, Doris.«
»Okay, Mr. Richards. Ich sehe Sie dann in ungefähr einer Stunde wieder.«
»Lassen Sie sich Zeit.«
Sie schloß die Tür, und er sah aus dem Fenster. Das Sonnenlicht vom Morgen hatte einer dicken grauen Wolkenschicht Platz gemacht. Der Wind pfiff durchge-hend und füllte die Atmosphäre mit einem kalten und feuchten Hauch, der bereits winterlich war. Es schauderte ihn auf seinem Stuhl, und er hoffte, daß Tommy irgendwo im Warmen säße. Er versuchte sich zu erinnern, was sein Kind am Vortag getragen hatte: Jeans und einen Rollkragenpullover und ein altes Sweatshirt mit einem Aufdruck von den New England Patriots, der sich auf einen vor ein paar Jahren stattgefundenen Wettkampf bezog. Tommy hatte auch einen Hut auf und Handschuhe gehabt, und den Parka vom vorigen Jahr, der an den Rändern ausfaserte, ihn aber immer noch warm hielt. Nein, es regnete den ganzen Morgen, und Tommy hätte deshalb auch seinen gelben Regenmantel nehmen können, der nicht sehr warm war. Duncan schlug sich mit der Faust in die Handfläche und drehte sich ärgerlich in seinem Sessel herum. Ich will nicht, daß er friert.
Wo mag sie sein? Er stand auf und ging in dem kleinen Büro auf und ab. Wo mag sie sein, und was mag sie tun?
Er sah Olivia plötzlich so wie letztesmal, damals, als sie Emily Lewis auf der Straße draußen vor der Bank hatte helfen wollen, als sie sich gerade in Richtung auf die eingebildete Sicherheit seines Lieferwagens schleppten.
Wie muß sie mich hassen! dachte er. All diese Jahre im Gefängnis, in dem sie nur daran gedacht und sich mit Haß aufgeladen hat. Die Sünden der Väter. Er ging an das Fenster. Wenn du einmal ein Feigling bist, fragte er sich, bist du dann immer ein Feigling? Er sah hinaus auf die dürren Äste einer Eiche, die sich gegen den kalten Wind sträubten.
Das Telefon hinter ihm summte, und er sprang durchs Zimmer, um es abzuheben.
»Ja - Duncan Richards.«
»Duncan, ich bin’s, Megan. Ich habe noch nichts gehört …«
»Ich auch noch nicht«, unterbrach er sie. »Noch nicht.«
»Oh, Gott«, stöhnte Megan. »Warum nicht?«
»Ich weiß es nicht. Aber … spekuliere nicht herum. Laß dich nicht von deinen Vorstellungen verrückt machen. Das habe ich den ganzen Morgen getan, während ich hier herumhing und gewartet habe … Alles wird okay, das wirst du sehen.«
»Meinst du?« Megans Stimme klang ungläubig.
»Ja, das tue ich. Behalte du dich nur fest in der Gewalt, und wir werden es schaffen. Sobald ich mit Olivia oder mit einem ihrer Komplizen gesprochen habe, sage ich dir
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