Die Rache. Thriller.
ihrem Kopf herauszupressen.
Nein, sagte sie sich dann, er hat ja recht. Wir müssen frisch sein. Man weiß nicht, was der Tag für Überraschungen bereithält.
Sie stand auf und tastete sich wacklig vorwärts die Treppe hinauf.
In ihrem Zimmer sah sie sich Duncan gegenüber.
»Was sollen wir tun?«
»Ich weiß es nicht genau«, sagte er. Er trocknete sich kräftig ab und schlug seinen Körper mit dem Handtuch, bis seine Haut rote Streifen bekam. »Aber ich nehme an, es wird von uns erwartet, daß wir uns ganz genauso verhalten, als ob gar nichts geschehen wäre und sie bedienen. Sie meldet sich. Das hat sie gesagt.«
»Ich hasse das.«
»Ich auch, aber was bleibt uns anderes übrig?«
»Nichts.« Megan zögerte. »Was wirst du tun?«
Duncan holte tief Luft. »Letztesmal hat sie im Büro angerufen. Also ziehe ich mich an, gehe in mein Büro und tue so, als arbeitete ich, und warte, daß sie wieder anruft.«
»Glaubst du, sie sind okay?«
»Ja. Bitte, Meg, denk nicht daran. Es war ja nur eine Nacht, und ich bin sicher, es geht ihnen prima.«
»Was ist mit Tommys Schule? Sie erwarten ihn doch.«
»Ruf sie an und sag ihnen, er hat ein bißchen Fieber.«
Sie nickte.
»Die Zwillinge?«
Duncan überlegte. »Gott, ich weiß nicht. Und was ist mit dir? Hast du heute Termine?«
»Keine, die ich nicht absagen oder für die ich nicht jemand anderen finden kann. Ich erzähle halt, ich hätte Grippe.«
Sie machte eine Pause, dann fügte sie hinzu: »Ich könnte es nicht ertragen, wenn ich nicht wüßte, wo die Zwillinge sind. Ich muß sie hier bei mir behalten.«
»Na gut. Dann ruf ihre Schule an …«
»Und sag, sie haben Grippe. Und dann?«
»Warte auf meinen Anruf.«
»Gott, ich weiß nicht, wie ich das kann.«
»Du mußt einfach.«
»Ich halt’s nicht aus.«
Duncan stand da und versuchte, die Krawatte um seinen Hals zu knoten. Er versuchte es einmal, und das schmale Ende war zu lang. Er versuchte es wieder, und wieder war es unebenmäßig. Er versuchte es ein drittesmal, aber der Knoten saß schief und sah schräg aus. Er riß sich die Krawatte vom Hals und schleuderte sie fest auf den Boden. »Glaubst du, das gefällt mir? Glaubst du, daß ich das besser aushalte als du? Gott! Ich weiß nicht, ich weiß nicht, ich weiß nicht. Da! Da hast du all meine Antworten auf all deine Fragen. Wir müssen einfach warten, verdammt!«
Megan wurde zornig, aber dann biß sie sich auf die Zunge.
»Gut«, sagte sie. »Gut.«
Sie schwiegen beide einen Augenblick.
»Dusch doch auch und zieh dich an. Ich mache uns ein Frühstück. Weck die Mädchen auf, wenn du angezogen bist.«
Sie nickte und fing fast ohne nachzudenken an, ihre Kleider zu Boden fallen zu lassen. Duncan, immer noch mit der Krawatte beschäftigt, verließ das Zimmer. Er zwang sich, nicht den Gang hinunter zu Tommys Zimmer zu blicken, und ging die Treppe hinunter.
Megan ließ sich vom Wasser überströmen und weinte hemmungslos.
Als sie fertig war, rubbelte sie sich schnell ab und zog sich Jeans und ein Sweatshirt an.
Sie konnte den gebratenen Speck aus der Küche riechen, und sie mußte sich beinahe übergeben. Sie schluckte heftig und ging in das Zimmer der Zwillinge.
»Kommt, Mädchen, steht auf.«
»Ist irgend etwas geschehen?« fragte Lauren.
»Wo ist Dad?«
»Nichts ist geschehen, und er ist unten und macht Frühstück. Wascht euch bitte und zieht euch an.«
»Gehen wir nicht zur Schule?«
»Nein, ihr bleibt bei mir.«
Die Mädchen nickten.
»Und macht eure Betten.«
»Mom!«
»Hört zu, verdammt, wir sind immer noch eine Familie, und wir machen immer noch so weiter wie gewöhnlich. Macht eure Betten!«
Lauren und Karen nickten.
Megan ging langsam die Treppe hinunter, ihr war schwindlig. Immer noch eine Familie. Einfach normal verhalten. Sie haßte alles, was sie gesagt hatte. Sie haßte, was sie getan hatte. Sie konnte die Mädchen im Badezimmer hören, und sie haßte, daß sie völlig sauber und bereit für den Tag waren und daß sie ihnen gesagt hatte, sie sollten ihre Betten machen, was, wie sie plötzlich empfand, das Albernste und Dümmste auf der Welt war, das sie an dem Tag tun konnten, an dem ihr Bruder entführt worden war.
Sie ging in die Küche und fragte sich, ob das Morgenlicht ihr weh tun würde.
Duncan sah sie an.
»Geht’s?« fragte er.
Sie antwortete nicht.
»Letzte Nacht hat’s gefroren«, sagte er. »Alles ist wie erstarrt.«
»Ich weiß«, sagte sie, ohne hinzusehen. Es fröstelte sie, und sie
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