Die Rache. Thriller.
ins Telefon: »Geben Sie uns Tommy und Großvater wieder! Wir wollen sie zurückhaben!«
Olivia lachte nur. Nach einer Pause sagte sie ruhig:
»Alles zu seinerzeit, Kinder. Kommt Zeit, kommt Rat.«
Megan wurde durch Karens mutige Haltung aus ihrer Starre erlöst. Sie nahm Lauren den Hörer aus der Hand.
»Ich bin auch zu Hause, verflucht noch mal!«
»Ach, Megan, du auch! Wie schön, mal wieder mit dir zu sprechen!«
»Olivia, was willst du?«
»Ich habe in all den Jahren viel über dich nachgedacht.
Zeit hatte ich ja genug. Ich habe immer gewußt, daß aus dir eines Tages eine spießige, biedere Hausfrau mit Eigenheim am Stadtrand würde. Das sah man dir einfach schon immer an.«
»Was soll das, Olivia?«
»Ich spreche immer nur mit deinem Mann, dich habe ich ja richtig vernachlässigt! Er ist so ein reizender Kerl geworden. Alles ist wirklich ganz reizend.«
»Olivia, sag mir bitte, warum tust du das?«
»Das weißt du doch ganz genau.«
Megan schwieg einen Augenblick. Dann sagte sie:
»Glaubst du, daß es dir besser gehen wird, wenn du dich rächst? Daß du alle verlorenen Jahre dadurch zurückbekommst? Glaubst du, daß du dadurch inneren Frieden findest?«
Sie war über ihre eigenen Worte erschrocken. Lauren trat ein paar Schritte zurück und sah ihre Mutter erstaunt an. Sie stieß einen leisen Freudenschrei aus und zeigte ihrer Mutter die erhobene Faust. Dann lief sie die Treppe zur Bibliothek hinauf, um am dortigen Apparat mitzuhören.
Olivia war von Megans Frage ebenfalls überrascht und zögerte mit ihrer Antwort. Nach einer Weile sagte sie:
»Megan, vielleicht hast du recht, und Rache ist wirklich der falsche Weg, um damit fertig zu werden.« Sie lachte und fuhr dann fort: »Aber es ist besser als alles andere.«
Megan hatte Mühe, sich zu beherrschen.
Nach längerem Schweigen sagte Olivia: »Du hast dich schön aus der Affäre gezogen. Und heute führst du ein Leben im Wohlstand. Du bist ohne Kratzer und Beulen davongekommen. Du hast keinerlei Folgen zu tragen gehabt. So, als hättest du an einem Kinderspiel teilgenommen. Aber das war es nicht.«
»Das weiß ich.«
»Ich war die einzige, die ihre Ideen nicht verraten hat«, fuhr Olivia fort. »Ich bin nicht wankelmütig geworden. Und sieh dir einmal an, was heute los ist. Wir haben eine Regierung, die machen kann, was sie will. Es gibt Elend und Hunger in den Städten, aber niemanden kümmert’s. Am allerwenigsten den Staat. Reich sein ist zur Religion geworden. In den Ghettos der Schwarzen hat sich die Situation seit zwanzig Jahren kein bißchen gebessert. Du hast dich auch nicht darum gekümmert, wahrscheinlich nicht einmal daran gedacht. Keinen Finger hast du gekrümmt! Eine selbstzufriedene Familienmutter, die in ihrem Haus lebt nach dem Motto: Was geht mich das Elend der anderen an?«
Megan wollte widersprechen, schwieg dann aber lieber.
»Du hältst mich für eine Kriminelle«, fuhr Olivia fort.
»Aber das bin ich nicht. Daran hat sich nichts geändert, Megan. Was andere Verbrechen nennen, betrachte ich als meine Pflicht.«
»Bitte, laß sie frei«, bat Megan.
»Ihr könnt sie wiederhaben, wenn ihr die Kraft dazu habt. Ihr könnt sie zurückkaufen. Das entspricht doch am ehesten eurer jetzigen Denkweise: Alles hat seinen Preis. Also, dann kauft sie doch frei! Was könnt ihr denn zahlen?«
»Soviel du willst.«
Olivia antwortete nicht.
»Was willst du noch von mir?« fragte Megan nach einer Weile.
»Ich hab’s dir doch gesagt. Ich wollte die Stimme deiner Zwillinge hören und mal wieder mit dir reden.«
»Aber das hast du doch. Was willst du denn immer noch?«
»Ich habe eine Nachricht für euch.«
»Dann gib sie uns doch! Du hast doch schon bewiesen, daß du alte Männer und kleine Jungen terrorisieren kannst.
Jetzt laß die Mädchen gefälligst in Frieden!«
Megan war überrascht, daß sie so heftig geworden war.
Selbst Olivia war erstaunt. Bevor sie Megan antwortete, ließ sie einige Zeit vergehen. »Terror ist die legitimste Art, seinen Zorn und seine Empörung zu zeigen. Das hat sich in aller Welt in zahlreichen Fällen als richtig erwiesen.«
»Bei einem alten Herrn und einem kleinen Jungen«, antwortete Megan.
»Warum sollte man sie schonen?« fragte Olivia prompt.
»Sind sie wirklich so unschuldig, wie es scheint?«
»Ja, das sind sie! Nie haben sie jemandem Böses getan!« sagte Karen energisch.
»Karen!« schrie Megan, die ganz vergessen hatte, daß die Mädchen mithörten. »Geh aus der
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