Die Rache trägt Prada. Der Teufel kehrt zurück
wirklich wusste, was sie da tat, platzte sie heraus: »Ich möchte mich testen lassen. Das volle Programm, bitte.«
Dr. Palmer drehte sich um.
»Wahrscheinlich ist es bloß Einbildung, und ich habe tatsächlich keinen Grund zur Beunruhigung, aber mein Mann hat auf seinem Junggesellenabschied seine Exfreundin wiedergesehen. Sicher, die Frau ist keine Prostituierte oder so, und natürlich glaube ich auch nicht, dass zwischen ihnen etwas vorgefallen ist – darauf hat er mir zumindest sein Wort gegeben –, aber ich möchte lieber trotzdem auf Nummer sicher gehen.« Sie hielt inne, rang nach Luft. Dann setzte sie etwas gefasster hinzu: »Wir haben erst vor einer guten Woche geheiratet.«
Andy war zu neunundneunzig Prozent überzeugt, dass sie sich lächerlich machte und dass Max sie weder mit Katherine noch mit einer anderen Frau betrogen hatte. Er war immer ehrlich zu ihr gewesen. Sicher, er hätte ihr die Begegnung nicht verschweigen dürfen, aber sie glaubte ihm wirklich, dass nichts passiert war. Und selbst wenn? Wie hoch standen die Chancen, dass er sich ausgerechnet von der sprichwörtlich »jungfräulichen Prinzessin« Katherine von Herzog eine Geschlechtskrankheit eingefangen hatte? Die von Herzogs kriegten keinen Herpes, basta. Trotzdem blieb da immer noch das letzte Prozentchen Ungewissheit. Sie konnte nicht völlig ausschließen, dass ihre Beschwerden mit Max und Katherine zu tun hatten.
Dr. Palmer nickte. »Das Labor ist am Ende des Korridors auf der linken Seite. Da lassen Sie sich Blut abnehmen. Wir bräuchten auch eine Urinprobe. Den Becher können Sie in der Toilette stehen lassen. Wenn Sie das erledigt haben, kommen Sie zurück und machen sich frei. Ganz. Auf dem Stuhl dort drüben hängt ein Untersuchungskittel, den ziehen Sie an. Ich bin dann gleich wieder bei Ihnen.«
Bevor Andy ihm danken konnte, war er auch schon zur Tür hinaus. Sie sprang vom Untersuchungstisch und steuerte das Labor an, wo ihr eine grimmige Matrone effizient und fast schmerzfrei Blut abnahm, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Anschließend schickte die Frau sie zur Toilette weiter. Als Andy wieder im Behandlungsraum war, zog sie den Papierkittel an, legte sich, bewaffnet mit einer Real Simple , wieder auf den Untersuchungstisch und vertiefte sich in ein Zehn-Punkte-Programm zum Kellerausmisten, bis der Arzt in Begleitung eines jungen Mannes zurückkam.
»Andy, das ist Mr Kevin. Er ist noch in der Ausbildung zum Arzthelfer.« Dr. Palmer deutete auf den Asiaten, der kaum älter als siebzehn aussah. »Unsere weiblichen Kräfte sind zurzeit leider unabkömmlich. Das macht Ihnen doch nichts aus?«
»Aber natürlich nicht«, flunkerte Andy.
Die Untersuchung ging dankenswert schnell über die Bühne. Sie konnte zwar nicht sehen, was der Arzt da unten trieb – und erklären tat er es auch nicht –, aber im Grunde war es nicht sehr viel anders als bei einem gynäkologischen Abstrich. Sie versuchte, möglichst nicht auf Mr Kevin zu achten, der ihr zwischen die Beine starrte, als ob er so etwas noch nie zuvor gesehen hätte. Als sie es fast nicht mehr aushielt, bedeckte Dr. Palmer sie wieder mit dem Kittel und tätschelte ihr die Wade.
»Das war’s schon, Andrea. Je nach Auslastung des Labors müssten wir die ersten Werte spätestens morgen haben. Vielleicht können wir Ihnen sogar schon heute etwas sagen. Bitte vergewissern Sie sich doch beim Hinausgehen, ob die Rezeption Ihre aktuelle Telefonnummer vorliegen hat. Wenn Sie bis morgen Nachmittag um fünf nichts von uns gehört haben, rufen Sie einfach kurz durch.«
»Hm, ja. Okay. Müsste ich sonst noch irgendwas …?«
»Ansonsten hätten wir alles. Bis bald.« Und schon war er entschwunden, ohne dass sie ihn zum Beispiel noch fragen konnte, auf welche Krankheiten sie im Einzelnen getestet werden sollte.
Erst nachdem sie ihre Selbstbeteiligung bezahlt, sich die Jacke übergezogen und am U-Bahn-Eingang ihre Monatskarte durch das Lesegerät gezogen hatte, fiel ihr auf, dass der Arzt keinen einzigen aufmunternden Satz von sich gegeben hatte. Kein »Machen Sie sich keine unnötigen Sorgen«, kein »Man kann nie vorsichtig genug sein, aber Ihnen fehlt bestimmt nichts«, und noch nicht mal ein »Ich kann nichts Beunruhigendes erkennen«. Bloß ein mageres »Das war’s schon«, gefolgt von einem fast überstürzten Abgang. Fürchtete er sich vor einem weiteren hysterischen Ausbruch, oder hatte er womöglich doch eine alarmierende Beobachtung gemacht?
In der Redaktion konnte
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