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Die Rache

Die Rache

Titel: Die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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– durchgesehen hatte, schaltete er im Zimmer das Deckenlicht ein und nahm seine Dartpfeile vom Sims über dem Kamin.
    Seine Büropfeile, die gleichen zwanzig Gramm schweren Schönheiten aus Wolframstahl wie jene, die er fast immer mit sich herumtrug. Er hatte nicht mehr geworfen, seit er sein Haus verlassen hatte. In der ersten Runde, als es darum ging, wieder ein bißchen hineinzukommen, traf er einmal die Zwei, und der letzte Pfeil blieb unten in der Zwanzig stecken.
    Er nahm die Postkarte. Hongkong bei Nacht.
    Seine Ex-Frau.
    Er ging mit der Karte durchs Schlafzimmer in die Küche. Er hatte keine harten alkoholischen Getränke im Haus, aber in der Kühlschranktür standen vier Flaschen Anchor Steam . Im Tiefkühlfach fand er gefrorene Hühnerbrust, im Schrank eine Dose mit Pilzrahmsuppe und eine Dose grüne Bohnen. Er legte die Hühnerbrust in seine schwarze, gußeiserne Allzweckpfanne, schüttete die Suppe und die Bohnen darüber, gab einen Schluck Bier dazu, deckte das Ganze zu und stellte die Flamme auf eine niedrige Stufe. Jane war sehr angetan von seinen Kochkünsten. Frannie hatte in den letzten Tagen für ihn gekocht.
    Am Küchentisch las er, das Bier in der Hand, die Postkarte. Wo bist du? Wirst du daheim sein und die Karte bekommen? Na, nächste Woche werde ich es sicher erfahren … Es schien nicht direkt ein Scherz zu sein, aber ernst war es auch nicht.
    Das war Jane. Wenn es ihr ernst mit ihm war, würde sie sich das nicht eingestehen können. Vielleicht konnte sie nach ihrer Ehe und dann der zweiten, die weniger als zwei Monate gedauert hatte, die Dinge nicht mehr ernster werden lassen, ohne sich automatisch zurückzuziehen. Auch sie hatte den Tod von Michael erlitten, daran mußte er sich erinnern. Manchmal schien es ihm, als sei es allein er gewesen, aber nur, weil Jane nicht hier gewesen war. Und weil er für alles andere blind gewesen war.
    Gönn ihr eine Pause, Diz.
    Aus der Küche drang der Duft des Essens. Er stand auf, sah nach, ob es schon angebrannt war, und drehte die Flamme aus. Er öffnete ein zweites Bier.
    Jane war gut in ihrem Job und mochte ihn. Sie mochte auch Hardy, das auf jeden Fall. Sie wußte, wer sie war. Er fragte sich mit einem kleinen Stich im Herzen – und obwohl es ihm nie zuvor in den Sinn gekommen war –, ob sie ihm noch immer treu war.
    Er hatte nicht einfach nur mit Frannie geschlafen. Frannie hatte ihm heute abend, bevor sie miteinander ins Bett gegangen waren, und hinterher wieder, erklärt, daß sie Zeit brauche, daß sie beide Zeit brauchten, um nachzudenken. Sie hatte ihn gebeten, wieder nach Hause zu gehen.
    Und er wollte nach Hause gehen. Nicht, um von Frannie fortzukommen, auch nicht, um über irgend etwas nachzudenken – einfach nur, um zu Hause zu sein. Was zum Teufel bedeutete das? Daß er Frannie nicht liebte? Oder Jane?
    Frannie zeigte ihm im Gegensatz zu Jane, daß sie ihn brauchte. Vielleicht nicht für alles, vielleicht im Moment nur für den körperlichen Trost, die vertraute Wärme, aber die Tür stand offen. Jane mochte ihn lieben, aber er hatte nicht das Gefühl, daß sie jemanden brauchte.
    Was war los mit dem Monster Hardy? Ging es nur darum, gebraucht zu werden? Andererseits: Konnte Liebe, wenn man einander nicht brauchte, denn existieren? Brauchte Frannie nur verzweifelt einen Vater für ihr Baby, egal, ob das nun Dismas Hardy war oder nicht? Es wäre Pech, wenn er sie mißverstehen würde.
    Als er und Jane zum erstenmal wieder zusammen gewesen waren, hatten sie eine prickelnde Spannung gespürt. Die Anziehungskraft zwischen ihnen hatte immer existiert und war sofort wieder da gewesen, auch wenn Jane zu dieser Zeit vielleicht nur das Bedürfnis gehabt hatte, die Geister ihrer gescheiterten Ehe verschwinden zu lassen und zu begreifen, daß es wirklich der Tod ihres Sohnes Michael gewesen war, der ihren Mann Dismas zerstört hatte, und nicht ihr Versagen.
    Jetzt, wo das klar, wo dieser Punkt abgehakt war, war es Zeit, an Land zu gehen. Das Problem bestand darin, daß Hardy bis vor ein paar Monaten, als er mit Jane wieder zusammengekommen war, beinahe ein Jahrzehnt an einer Anlegestelle verbracht und vom Anlegen genug hatte. Er war endlich in Gang gekommen, war bereit loszusegeln. Er dachte daran, ein drittes Bier zu trinken, entschied sich dagegen. Er füllte einen Teller mit Chicken McHardy . Es schmeckte großartig.
     
    Als einziger im Morddezernat besaß Frank Batiste ein richtiges Büro, nämlich eines mit Tür. Jetzt saß er an seinem

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