Die Rache
hasse Eddie dafür, daß er war, wie er war. Denn durch diesen Idealismus hatte sie ihn verloren. Warum war sie ihm überhaupt begegnet? Es war nicht fair.
Eddies Lächeln verschwand nicht, veränderte sich nicht. Es war verschwommen wie eine alte Fotografie, und mit jedem Tag wurde es älter. Er lächelte, schmeichelte, neckte sie – ich bin noch hier, Frannie, und du wirst mich nie vergessen können. Ich wette, das Kind wird genauso aussehen wie ich.
Eine Träne fiel auf das Glas über dem Bild.
Das Kind.
Sie hielt das Foto in der einen Hand, preßte die andere gegen den Leib unter dem Sweatshirt.
Gott, Eddie, dachte sie, komm, das ist nicht fair.
Was ist nicht fair? fragte er. Daß ich in dir bin? Daß all dies ›Weiterleben‹ und ›nach vorne Schauen‹ und die Sache mit Diz … ist ja in Ordnung, ich weiß, daß ich fort bin … Ich will dich nur auf später vorbereiten. Du mußt einen Platz finden, wo du mich lassen kannst. Ich war dein Mann, bin der Vater des kleinen Menschen da drinnen. Versteck mich nicht, schließ mich nicht aus, das habe ich nicht verdient. Wenn es schmerzlich ist, tut es mir leid, aber ich vermisse dich auch. Weißt du nicht, wie sehr ich mir wünsche, da zu sein?
»Doch, das weiß ich.«
Also dann?
Hardy setzte sich neben sie. Sie lag auf dem Bett, das Haar auf dem Kissen ausgebreitet, das Gesicht leicht geschwollen, und hielt das Bild von Eddie Cochran mit dem Gesicht nach unten gegen den Bauch gepreßt.
»Was ist?« fragte er.
»Es ist zu früh.«
»Ja, ich weiß. Ich habe dasselbe gedacht.« Sie legte die Fotografie auf den Boden, schmiegte sich an ihn. Er streichelte ihr den Rücken unter dem Sweatshirt.
»Du bist mein einziger männlicher Freund, Dismas.«
»Und?«
»Ich weiß nicht, was ich tun soll. Was habe ich mit Eddie gemacht?«
Hardy streichelte ihren Bauch. »Eddie ist hier.«
»Das meine ich. Ich bin nicht einfach einsam.« Sie dachte nach. »Ich bin überhaupt nicht einsam. Ich versuche, Eddie zu finden, und das ist dir gegenüber nicht fair.«
»Komm her«, sagte Hardy.
Sie legte den Kopf in seine Armbeuge.
»Denn irgend etwas in mir liebt dich«, sagte sie. »Liebt dich sehr.«
»Aber da ist auch noch was anderes.«
»Ja.«
Er blies den Atem zur Decke. »Das ist ganz natürlich. Du baust ein Nest, möchtest es mit einem Mann teilen. Mir vertraust du, und dann tauche ich hier auf und brauche einen Platz, wo ich bleiben kann. Ein hübscher, kleiner Traum.«
»Es ist mehr als das.«
Hardy legte sich auf die Seite, öffnete erst den Knopf, dann den Reißverschluß ihrer Jeans.
»Endlich sitzen sie ein bißchen enger.«
Sie biß ihn zärtlich in die Unterlippe, stieß ihre Zungenspitze gegen seine. Seine Hand, unten in ihrer Hose, preßte sich gegen sie.
»Auch das ist wirklich«, sagte sie. »Dieser Teil.«
Sie gab ihm einen Kuß, befreite ihn von seiner Hose.
Wieder ein Kuß, tief und langsam, dann fielen die übrigen Kleidungsstücke. Er drang in sie ein, atmete ihren Duft, ihre Münder berührten sich, die Körper preßten sich hart und dicht aneinander, und ihre Beine umschlangen ihn, hielten ihn so tief wie möglich in ihr.
Im Haus war es kalt. Er ging durch den langen Gang und prüfte den Thermostat – vierzehn Grad Celsius. Als er in die Küche kam, knarzte das Holz unter seinen Schritten. Im Schlafzimmer fiel ihm ein, daß er die Fische seit Tagen nicht gefüttert hatte. Schlecht. Er schüttete etwas Futter auf die Wasseroberfläche, und sie warteten nicht einmal ab, bis er das Becken wieder geschlossen hatte.
»Tut mir leid, Jungs.«
Er schob den Vorhang vor einem der Fenster seines Büros beiseite, sah auf die blinkenden Lichter der Innenstadt, erkannte über der schattigen Linie der Jackson Heights die Spitze der Pyramide, die ihm letzte Woche wie der Sitz des Bösen vorgekommen war, wie das dreieckige Auge des Zyklopen auf der Dollarnote. Er blickte nach rechts, warf einen Blick auf den einstmals so spektakulären Sutro Tower, der jetzt fast gütig und sanft seine Finger nach ein paar Wolken reckte. Der Mond schien, er war fast voll.
Hardy wunderte sich über seine veränderte Wahrnehmung der Dinge, lauschte auf das Knarren überall im Haus, als sich endlich die Wärme in den Heizungsrohren ausbreitete. Das Geräusch war nicht unheimlich.
Als das Kohlefeuer ordentlich brannte und die Heizung wärmte und er am Schreibtisch, im Lichtkegel der grün schimmernden Messinglampe, die Post – abgesehen von einer Postkarte
Weitere Kostenlose Bücher